Süddeutsche Zeitung

Gehalt nach Leistung:Geld oder Anerkennung

Kosten senken, motivieren oder Leistungsträger halten? Was sich Firmen von einer flexiblen Vergütung erhoffen.

Vera Callenbach

Erst kommt die schlechte Nachricht: Die Mitarbeiter eines mittelgroßen, deutschen Dienstleistungsunternehmens sollen künftig 40 Stunden arbeiten statt wie bisher 35, natürlich ohne Lohnausgleich. Außerdem müssen sie auf fünf Urlaubstage verzichten. Im Gespräch mit der Belegschaft bemüht sich der Geschäftsführer um Schadensbegrenzung und kündigt eine gute Nachricht an: "Wir wollen die Vergütung flexibler gestalten und damit Leistungsanreize setzen, so dass sich besonderes Engagement für Sie auch finanziell lohnt", sagt er. "Und wie wollen Sie diese Leistung messen?", fragt ein Angestellter. "Wir arbeiten noch an den Kriterien", lautet die ausweichende Antwort. Die Mitarbeiter bleiben ratlos und verunsichert zurück.

Flexible Vergütungssysteme sind in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ein gängiges Mittel, um mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen. Zum einen sollen sie die Effizienz steigern und dabei helfen, Leistungsträger im Unternehmen zu identifizieren und zu motivieren. Zum anderen lassen sich auf diese Weise die Personalkosten drücken, wenn zuvor formulierte Ziele nicht erreicht werden.

Manche Führungskräfte geben offen zu, dass es ihnen vor allem darum geht, Privilegien von langjährigen Mitarbeitern durch flexible Vergütung auf den Prüfstand zu stellen. "Es kann nicht sein, dass Beschäftigte allein über die Dauer der Betriebszugehörigkeit mehr Urlaubstage und mehr Gehalt bekommen, ohne dafür auch Leistung zeigen zu müssen", sagt der Geschäftsführer. Dem abzusehenden Konflikt mit Betriebsrat und Gewerkschaften nimmt er gelassen in Kauf.

Variable Vergütungsmodelle können sich traditionell in Form eines Ergebnisbonus am Erfolg des Unternehmens ausrichten, erklärt Monika Rösler von der Professionelles Personal Management AG in Idstein. Der offene Vergütungsanteil kann sich aber auch an der persönlichen Leistung des einzelnen Mitarbeiters orientieren. So können im Jahresgespräch Ziele formuliert werden. Gelingt es dem Mitarbeiter, diese zu erreichen, ist der Bonus gesichert. Zielvereinbarungen dieser Art sind im Rahmen eines bestehenden Tarifvertrages möglich.

Die Schwierigkeiten stecken im Detail. Ein Beispiel: Viele Beschäftigte arbeiten projektbezogen im Team, so dass die individuelle Leistung nur schwer von der Leistung der gesamten Gruppe zu trennen ist. Oder: Mitarbeiter können unter Umständen gegeneinander arbeiten, um die Position des internen Konkurrenten zu schwächen. Hinzu kommt: In vielen Branchen fehlen objektive Kriterien, um den Begriff "Leistung" genau zu bestimmen.

"Erfolg" ist ein Kriterium, dessen Definition sich je nach Unternehmen beliebig verändern lässt. "Es kann zum Beispiel als großer Erfolg verbucht werden, wenn ein Mitarbeiter einen lukrativen Auftrag für das Unternehmen hereinholt", sagt Rösler. "Wenn sich sich dieser Auftrag aber als zu groß erweist, viele Probleme verursacht und sich für das Unternehmen am Ende vielleicht sogar noch zusätzliche Kosten ergeben, verkehrt sich der vermeintliche Erfolg in sein Gegenteil."

Belohnung für den Einzelfall

Im Versicherungswesen, in der Produktion oder im Handel lassen sich Kriterien für besonders erfolgreiche und engagierte Mitarbeiter an der Zahl der abgeschlossenen Policen, an höheren Produktionszahlen oder einem Umsatzplus leicht nachvollziehen. In vielen Dienstleistungsbereichen ist die Bewertung von Erfolg schwieriger. Doch für beide Bereiche gilt: Ohne klar definierte, realistische und nachvollziehbare Vorgaben kann ein flexibles Vergütungssystem nicht funktionieren.

Und wer als Arbeitgeber mit solchen Modellen nur auf Kostenersparnis setzt und dabei die Motivation der Mitarbeiter vernachlässigt, könnte sich auf längere Sicht selbst ein Bein stellen: Ohne motivierte Beschäftigte ist kein Unternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig.

Nach Überzeugung von Personalberaterin Rösler sind bei der Vergabe von Prämien vor allem Stimmigkeit und Glaubwürdigkeit der Unternehmensleitung gefragt. "Werden Boni in Aussicht gestellt, und diese aufgrund einmaliger schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen dann nicht gezahlt, so werden die Mitarbeiter dies akzeptieren. Wiederholt sich diese Argumentation aber im nächsten und auch im übernächsten Jahr, hat es negativen Auswirkungen auf die Motivation der Beschäftigten." Angesichts steigender Steuerabgaben müssen sich Arbeitgeber aber auch fragen, ob die Gleichung "mehr Geld = motiviertere Mitarbeiter" auch heute noch gilt. "Wenn von einem Bonus letztlich netto nur die Hälfte auf dem Konto des Mitarbeiters ankommt, wirkt das kaum als Anreiz für mehr Leistung", sagt Rösler.

Sie plädiert für einen am Einzelfall orientierten Umgang mit flexiblen Vergütungssystemen. So könne die Belohnung für erbrachte Leistung für jeden einzelnen Mitarbeiter eine andere Form haben. "Der erste wünscht sich einen Dienstwagen, der zweite mehr Urlaub und die dritte ein verbesserte Kinderbetreuung." Gerade wenn ein Arbeitgeber Spitzenkräfte an das Unternehmen binden will, muss er bedenken: Es geht um Verständnis und Unterstützung in jeder Lebensphase des Mitarbeiters. Daher müssen auch die Zusatzleistungen genau das sein, was ihr Name verspricht: flexibel.

Auch wegen der demografischen Entwicklung in Deutschland sollten sich Unternehmen, die hoch qualifzierte Mitarbeiter finden und langfristig halten wollen, auf einen neuen Umgang mit flexiblen Vergütungssystemen einstellen. Individuelle Leistungsanreize können in Zukunft entscheidend sein, wenn es gilt, die besten Mitarbeiter zu halten. "Schon heute fehlen in vielen Branchen qualifizierte Ingenieure. Diese Entwicklung wird noch weitaus dramatischere Züge annehmen und sich auf andere Sektoren ausweiten", so die Prognose von Monika Rösler. Maßgeschneiderte, individuelle Lösungen sind dann mehr denn je gefragt.

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Quelle:
SZ vom 26.3.2005
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