Kind und Karriere:"Für Frauen sind Kinder beim Gehalt eine Strafe"

Lesezeit: 3 Min.

Mütter verdienen auch dann noch erheblich weniger als Männer, wenn das erste Kind fünf bis zehn Jahre alt ist. (Foto: Josep Rovirosa/imago)

Die Geburt eines Kindes wirkt sich negativ auf das Einkommen der Mutter aus - sogar im Vorzeigeland Schweden. Was daraus folgen muss, erklärt Ökonomieprofessor Josef Zweimüller.

Interview von Larissa Holzki

Ein internationales Forscherteam hat untersucht, wie sich das Einkommen von Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes entwickelt. Die Ergebnisse sind drastisch. In allen sechs Ländern wurden starke Gehaltseinbußen bei den Müttern beobachtet. Der Ökonomieprofessor Josef Zweimüller von der Uni Zürich war vor allem von den Ergebnissen eines vermeintlichen Vorzeigelandes überrascht.

SZ: Herr Zweimüller, Ihre Studie haben Sie Child Penalties genannt, Kind-Strafen. Ist das nicht etwas polemisch?

Josef Zweimüller: Als Child Penalties bezeichnen wir die Einkommenseinbußen nach der Geburt des ersten Kindes. Und leider muss man das tatsächlich so sehen: Für Frauen sind Kinder beim Gehalt eine Strafe. Mütter verdienen auch dann noch erheblich weniger als Männer, wenn das erste Kind fünf bis zehn Jahre alt ist. In Deutschland verdienen Mütter zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes im Schnitt 61 Prozent weniger als im letzten Jahr vor der Geburt! Bei Vätern gibt es diesen Effekt nicht.

Woran liegt das? Kehren Mütter nicht an den Arbeitsplatz zurück, arbeiten sie weniger oder bekommen sie weniger Geld für ihre Arbeit? In Deutschland wurde ja erst im vergangenen Jahr das Entgelttransparenzgesetz eingeführt, weil Arbeitgeber Frauen häufig für die gleiche Leistung schlechter bezahlen als Männer.

Die Arbeitsmarktbeteiligung macht in Deutschland mindestens die Hälfte des Effekts aus. Ein großer Teil der durchschnittlichen Einkommenseinbußen sind auf Mütter zurückzuführen, die gar nicht mehr arbeiten gehen. Was wir in den Daten allerdings nicht sehen können, sind Geschwisterkinder. Möglicherweise bleiben vor allem Frauen zu Hause, die weitere Kinder geboren haben. Allerdings sind die Familien in Deutschland im Schnitt auch nicht größer als in den Vergleichsländern.

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Wie würde denn die Kurve aussehen, wenn Sie noch einmal die Einkommensdaten 15 oder 20 Jahre nach der Geburt des ersten Kindes erheben würden?

Die Lücke würde sich vielleicht noch ein bisschen verringern, aber nicht viel. Während Frauen sich um ihre Kinder kümmern, machen Männer Karrieresprünge. Sie verpassen die entscheidende Zeit im Beruf.

Sie haben Schweden, Dänemark, das Vereinigte Königreich, die USA, Österreich und eben Deutschland verglichen. Was fällt dabei auf?

Wir können sehen, dass sich das Gehalt von Frauen und Männern vor der Geburt des ersten Kindes sehr ähnlich entwickelt. Der Gender Pay Gap, die oft beschriebene Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, ist zu Karrierebeginn gering oder nicht vorhanden. Und dann wird es sehr interessant: Die langfristigen Folgen sind nämlich sehr unterschiedlich. In Dänemark verdienen Mütter auf lange Sicht 21 Prozent weniger als Männer, in Schweden 27 Prozent. In Deutschland ist der Child Penalty mehr als doppelt so groß.

Dabei heißt es doch immer, in Schweden gibt es keine Diskriminierung mehr?

Das ist das eigentlich Überraschende aus meiner Sicht. Es sollte eigentlich so sein, dass die Geburt eines Kindes die Karriere einer Frau in Schweden nicht mehr beeinträchtigt, weil die Politik sehr auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgerichtet ist.

Was leiten Sie daraus ab? Muss die Politik also auch in Schweden noch mehr für die Mütter tun?

Aus meiner Sicht zeigt unsere Studie: Mit Kindergeld und Krippenplätzen alleine lassen sich nicht alle Unterschiede aufheben. Wir sehen nämlich auch, dass die Gehaltseinbußen mit den gesellschaftlichen Erwartungen und sozialen Normen einhergehen. In Dänemark wird von Frauen nicht erwartet, dass sie sich zu Hause um die Kinder kümmern. In Deutschland halten das die meisten Menschen für richtig. Das Ziel muss sein, die Einstellung der Männer zu verändern. Sonst wird der Großteil der Erziehungsarbeit weiter von Frauen gemacht.

Tut sich bei den Vätern denn wirklich gar nichts?

Nur in Schweden beobachten wir kurzfristig einen Knick. Vermutlich, weil es dort stärkere finanzielle Anreize für Väter gibt, die Betreuung eines Kleinkindes zu übernehmen. Eine solche - im Durchschnitt sehr kurze - Babypause des Vaters hat jedoch längerfristig keine Auswirkungen auf sein Einkommen.

Anmerkung der Redaktion: Im Artikel war ursprünglich eine weitere Grafik zu sehen, die einen Zusammenhang zwischen dem Gehaltsverlust und gesellschaftlichen Einstellungen zur Rolle von Müttern herstellte. Diese Grafik beruhte allerdings auf veralteten Zahlen und wurde deshalb entfernt (30.1.19).

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