Gehälter:Gleicher Job, ungleiche Chancen

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Überkommene Erwartungen, schlechtere Positionen: Warum Frauen weniger verdienen als Männer.

Von Nicola Holzapfel

Gleicher Job, weniger Gehalt: Das ist für Frauen in deutschen Büros Realität, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Demnach müssen Frauen bei gleicher Ausbildung und Berufserfahrung im Schnitt einen Abschlag von zwölf Prozent gegenüber ihren männlichen Kollegen hinnehmen.

Je höher die Qualifikation, desto kleiner der Unterschied: Wissenschaftlerinnen verdienen "nur" fünf Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. (Foto: (Foto: sueddeutsche.de))

"Die Lohnunterschiede würden kleiner ausfallen, wenn man die tatsächlichen Berufsunterbrechungen von Frauen besser berücksichtigen könnte", sagt Thomas Hinz von der Universität Konstanz, einer der Autoren der Studie. Auch mögliche Überstunden und damit die tatsächlich geleistete Arbeitszeit konnten die Forscher nicht erfassen. Wenn Hinz diese Messprobleme einrechnet, schätzt er die Differenz auf noch durchschnittlich sechs Prozent.

Doris Jeckle-Upton vom Frauennetzwerk EWMD hat jahrelange Erfahrung im Vergütungsmanagement in der privaten Wirtschaft. Sie bezweifelt, dass es tatsächlich signifkate Gehälterdiskriminierung nach Geschlecht gibt. "Systematische Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen kann ich nicht feststellen. Die Unterschiede kommen tendenziell eher durch flachere und langsamere Karrierewege von Frauen", sagt Jeckle-Upton.

Auch Thomas Hinz betont die unterschiedlichen Berufsverläufe: "Am wesentlichsten für Lohnunterschiede ist, dass Männer und Frauen bei der Einstellung anders behandelt werden. Sie werden auf unterschiedlich entwicklungsfähige Positionen gesetzt. Langfristig haben Frauen dadurch die schlechteren Karrierechancen und damit auch weniger Gehalt", sagt Hinz und erklärt auch, warum Frauen schlechter starten: "Hier spielen Rollen, Normen und Erwartungen von Arbeitgebern hinein, die sich dann durch die unterschiedlich verlaufenden Karrieren von Männern und Frauen wieder bestätigen." Wenn Frauen auf weniger interessanten Positionen sitzen, sinkt ihre Motivation. Dafür steigt ihre Bereitschaft, für Kinder eine Auszeit zu nehmen - insbesondere, wenn der Partner den besseren Job hat.

Hinz glaubt, dass sich dieses Muster ändern würde, wenn die Erwerbsunterbrechungen von Müttern kürzer wären oder wenn mehr Männer dem Nachwuchs zuliebe zuhause blieben. "Wenn der Elternurlaub so geregelt wäre, dass ihn beide Elternteile gleichberechtigt nehmen müssen, um Erziehungsgeld zu erhalten, würde das den Anreiz erhöhen, dass auch die Väter aussetzen", schlägt Hinz vor.

Wie die IAB-Studie zeigt, fällt die Gehälterdifferenz je nach Job und Branche anders aus. "In Berufen mit höherem Prestige sind die Unterschiede kleiner", sagt Hinz. In den vergangenen Jahren haben Frauen in allen Berufen aufgefholt. "Der Abstand ist etwas kleiner geworden. Wenn man lange genug wartet, könnte es sein, dass er verschwindet. Die Frage ist, ob die Frauen, die heute arbeiten, noch etwas davon haben werden. Langfristig gesehen bedeutet weniger Gehalt auch soziale Abstriche. Sie können weniger für die Rente vorsorgen. Über das ganze Berufsleben betrachtet sind ein paar Prozent weniger gar nicht so wenig", sagt Hinz.

Arbeitnehmerinnen in Firmen mit betrieblicher Mitbestimmung müssen offensichtlich kleinere Gehaltsabschläge hinnehmen. "In Unternehmen, in denen es Betriebsräte gibt, sind die Lohnspreizungen geringer. Und das kommt den Frauen zugute", sagt Hinz und verweist auf Studien, wonach auch Tariflöhne den Unterschied verringern.

Dass jedoch auch Tarifvereinbarungen nicht diskriminierungsfrei sind, ist seit langem bei den Gewerkschaften ein Thema. "Es werden zum Teil unterschiedliche Kriterien für gleichwertige Arbeit angelegt. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Bezahlung einer Küchenhilfe und der eines Straßenreinigers. Der Arbeiter erhält grundsätzlich einen Erschwerniszuschlag, weil er mit Schmutz und Dreck zu tun hat. Bei der Küchenhilfe wird genau geschaut, wie lange sie tatsächlich am heißen Abwasch steht und nur für diese Zeit bekommt sie mehr Geld. Hier wird innerhalb einer Branche mit zweierlei Maß gemessen", sagt Anne Jenter vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Das Problem würde zwar auch in den Tarifverhandlungen genannt, letztlich sei es aber immer wieder unter den Tisch gefallen. "Die Arbeitgeber argumentieren, dass Frauen gleichbehandelt werden wie Männer. Sie lehnen die Diskussion ab, dass man gleichwertige Jobs vergleichen muss", sagt Jenter. Bei der Bundsvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) heißt es, dass die Tarifverträge keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen machen. "Die Kriterien zur Entgeltbemessung können sich natürlich nur auf die jeweils geregelte Branche und deren spezifische Anforderungen beziehen", sagt Rainer Schmidt-Rudloff vom BDA. Auch die Entgelte und Zulagen seien geschlechtsneutral.

Im Öffentlichen Dienst wird derzeit versucht, Diskriminierungspotenziale bei der Vergütung abzubauen. "Es gab den Vorwurf, dass der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) diskriminiert, weil es verschiedene Vergütungsordnungen für verschiedene Bereiche gibt. Die Vergütung ist zwar innerhalb einer Gruppe schlüssig, aber wenn man gleichwertige Tätigkeiten in verschiedenen Gruppen vergleicht, kommt man zu unterschiedlichen Einkommen", sagt Petra Ganser von der Gewerkschaft verdi.

Nun wird im Zuge der Reform des BAT alles neu geordnet. "Es sollen einheitliche Kriterien für alle Berufe gelten", sagt Ganser. "Auch die Unterscheidung in Männer- und Frauentätigkeiten werden wir ein Stück weit normalisieren. Bislang waren die sozialen und Verwaltungs-Berufe oftmals niedriger bewertet als technisch-gewerbliche Tätigkeiten. Zum Beispiel wurden die Absolventen von Fachhochschulen im technischen Bereich besser bezahlt als im Dienstleistungsbereich. Das wird jetzt angeglichen." Zu hohen Erwartungen an die Reform greift die Tarif-Expertin jedoch vor: "100-prozentige Diskriminierungsfreiheit gibt es nicht."

Dabei darf es rechtlich gesehen gar keine Entgelt-Diskriminierung geben. Das neue Anit-Diskriminierungsgesetz, mit dem Vorgaben der EU in nationales Recht umgesetzt werden, wird nun die Möglichkeiten, gegen Benachteiligungen vorzugehen, erweitern. "Bislang konnte man nur Einzelfälle vor Gericht bringen. Das neue Gesetz ermöglicht eine Unterlassungsklage gegen Verstöße. Das wird uns sehr weiterhelfen", sagt Anne Jenter vom DGB. "Die einzelne Frau merkt die Diskriminierung ja oftmals gar nicht."

Wenn das Gehalt frei vereinbart wird, verhandeln viele Frauen immer noch anders als ihre männlichen Kollegen. "Bei Bewerbungsgesprächen sind sich Frauen der Gehaltsproblematik nicht so bewusst und fordern nicht genug. Sie machen sich oft im Vorfeld nicht über ihren Marktwert schlau und sind zu wenig offensiv. Ihre schlechtere Marktposition wird so durch die Frauen selbst mitverursacht", sagt Doris Jeckle-Upton vom Frauennetzwerk EWMD. Einfach beim nächsten Mal mehr zu verlangen, scheint ihr aber auch nicht der Ausweg zu sein. "Das Verhandeln ums Gehalt ist mit vielem anderen verwoben. Ich glaube, dass Frauen hier hinterherhinken, weil sie auch nicht so sehr um Status, Macht und mehr Verantwortung kämpfen wie Männer."

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