G8-Reform:Darf's ein bisschen weniger sein?

Die Kultusminister versprechen Entlastungen in den achtjährigen Gymnasien. Eltern befürchten hinter der Initiative Tricksereien und Zahlenspielchen.

Birgit Taffertshofer

Viele Eltern und Lehrer haben skeptisch auf die geplanten Korrekturen am achtjährigen Gymnasium (G 8) reagiert. Manche sehen in der Entscheidung der 16 Kultusminister, den Schulen mehr Gestaltungsfreiheit zu gewähren, ein großes Täuschungsmanöver. Lehrer sollen in Zukunft mehr Schulzeit für Förderunterricht und Projektarbeit verwenden dürfen, allerdings soll es bei den vorgeschriebenen 265 Wochenstunden bleiben. Einige Länder kündigten am Freitag bereits erste Änderungen an, mit denen sie Schüler und deren Familien entlasten wollen.

Schüler, ap

Gymnasiasten: Noch fehlt ein schlüssiges Ganztagskonzept.

(Foto: Foto: ap)

Für die Schüler sollen sich künftig vor allem die Hausaufgaben verringern: Die Jugendlichen müssten sie künftig nicht mehr zuhause machen, sondern dürften sie schon während der Schulzeit erledigen, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer, saarländische Bildungsministerin (CDU) und KMK-Präsidentin. Das Hamburger Kultusministerium plant, "mehr als zehn Wochenstunden" für Hausaufgabenhilfe und die individuelle Förderung von Schülern zu reservieren. Baden-Württembergs Bildungsminister Bernhard Rau (CDU) setzt sich dafür ein, dass zumindest nach dem Nachmittagsunterricht künftig keine Hausaufgaben mehr anfallen.

Nach der Mittagspause keine Klassenarbeiten mehr

Da bei der überstürzten G8-Reform in vielen westdeutschen Bundesländern vor allem die Klassen 5 bis 9 mit mehr Stoff belastet wurden, sollen nun besonders die jüngeren Schüler von der neuen Flexibilität profitieren. In Nordrhein-Westfalen soll es beispielsweise für Kinder der 5. und 6. Klasse nur noch an einem Tag in der Woche Nachmittagsunterricht geben, teilte Bildungsministerin Barbara Sommer (CDU) mit. In der 7. und 8. Jahrgangsstufe müssten die Schüler künftig höchstens an zwei Tagen nachmittags im Klassenzimmer ausharren. Außerdem sollen an nordrhein-westfälischen Schulen künftig nach der Mittagspause keine Klassenarbeiten mehr geschrieben werden.

Eltern und Lehrer reagierten skeptisch auf die Pläne der Kultusminister. "Das sind Tricksereien und Zahlenspielchen, mit denen die Öffentlichkeit hinters Licht geführt werden soll ", kommentierte Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den KMK-Beschluss. Flexibilisierung sei lediglich ein anderes Wort für eine verdeckte Unterrichtskürzung. Diese Einschätzung teilte der Philologenverband. "Der Beschluss öffnet Missbrauchsmöglichkeiten Tür und Tor", kritisierte der Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger. Damit sei die Qualität des Abiturs und damit die Studierfähigkeit deutscher Studenten gefährdet.

"Nur Tricksereien"

Während die einen Kritiker Unterrichtskürzungen befürchten, erwarten andere kaum Veränderungen durch die neu gewonnene Flexibilität der Schulen. "Die Probleme bleiben bestehen", prophezeite Thomas Lillig, Vorsitzender der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern (LEV). Er bezeichnete es als unredlich, trotz der verkürzten Gymnasialzeit auf der vorgeschriebenen Stundenzahl zu beharren. "Die Kultusminister wälzen die Probleme auf die Schulen ab", kritisierte seine Kollegin aus Hessen, Kerstin Geis. In Hessen und Hamburg war der Unmut über das achtjährige Gymnasium im Wahlkampf zuletzt besonders deutlich geworden. Geis verlangt vor allem mehr Lehrer und ein schlüssiges Ganztagsschulkonzept. Statt eine Schulstunde an die andere zu reihen, müssten sich über den gesamten Tag Lern- und Erholungsphasen abwechseln, betonte Geis.

"Die Kultusminister versuchen, die Familien mit einem Bauernfängertrick zu befrieden, aber alles bleibt beim Alten", monierte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Ludwig Eckinger. Der Unterricht in den Gymnasien müsse sich grundlegend ändern. Dazu müssten nicht nur die Lehrpläne reformiert, sondern auch die Lehrer fortgebildet werden. Statt beispielsweise acht verschiedene Revolutionen durchzupauken, müsste den Schülern das Phänomen der Revolution anhand eines Beispiels erklärt werden. Mithilfe dieser modernen Unterrichtsmethoden könne auch der Lehrplan entrümpelt werden.

In vielen Ländern beraten derzeit Arbeitsgruppen, wie die Stofffülle im Gymnasium reduziert werden kann. In Bayern und Baden-Württemberg sollen die Ergebnisse spätestens im April vorliegen. Ob außerdem das Ganztagsschul-Programm, das die rot-grüne Bundesregierung initiiert hat, wegen des achtjährigen Gymnasiums verlängert und aufgestockt werden könnte, ließ Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bisher unbeantwortet.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: