Führungsspitzen:Wir machen das heute mal ganz anders

Heute so, morgen neu und übermorgen so wie früher: Warum manche Unternehmen ständig umorganisieren und nie etwas dabei heraus kommt.

Harald Freiberger

Es gibt Probleme, die lassen sich nicht lösen. Zu ihnen gehört die Frage, wie man eine Firma am besten organisiert. Wir hatten einmal einen wöchentlichen Stammtisch, an dem der Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens teilnahm. Es war die Zeit des Mobilfunkbooms, es herrschte Aufbruchstimmung, das Unternehmen stellte massenhaft neue Leute ein. Aber es lief nicht rund.

Umstrukturierung

Umstrukturierungen als Massenware: Erst soll alles neu werden - und dann führt es doch zum gleichen Ziel. Oder auch nicht.

(Foto: ddp)

So kam es, dass unser Stammtischbruder jedes Mal Neues zu berichten hatte, wie in der letzten Woche wieder das Organigramm geändert wurde. Manchmal malte er es uns auf ein Papier, damit wir es besser verstanden: erst das Säulenmodell, dann die zweidimensionale Matrix, danach die dreidimensionale, eine verschlungene Doppelhelix. Die aber stellte sich als zu kompliziert heraus und war eine Woche später wieder abgeschafft. Man kam zurück auf das Säulenmodell, aber diesmal sollten die einzelnen Säulen durch Querstreben miteinander verzahnt werden. Es war eigentlich eine schöne Zeit. Leider bekam das Unternehmen irgendwann Probleme und musste viele Arbeitsplätze abbauen.

In manchen Firmen wird ständig umorganisiert. Nehmen wir das Beispiel einer Versicherung: Es gibt Personalabteilung, Innendienst, Außendienst, Schadensregulierung, Marketing. Vermutlich gibt es noch viel mehr, aber es soll reichen, um zu zeigen, dass sich die einzelnen Teile beliebig miteinander kombinieren lassen.

Man kann den Innendienst in der Zentrale mit dem Außendienst in den Regionen so vernetzen, dass beide in wöchentlichen Videokonferenzen besprechen, was gerade anliegt. Ein Vertreter der Schadensregulierung und einer vom Marketing sitzen dabei, weil sie wissen müssen, was an der Basis los ist.

Alles wieder wie früher

Nach einer Zeit grummelt der Innendienst, dass die Konferenzen aufgebläht und ineffizient sind, weil fachlich nicht eng genug eingegrenzt. Von der zweistündigen Sitzung seien für alle Teilnehmer nur vielleicht zehn Minuten interessant, in den restlichen 110 Minuten gehe es um Dinge, die sie nicht betreffen. Also macht man eine Umorganisation: Man bildet kleinere Untergruppen mit kürzeren Sitzungen. Das ist effizienter, aber nach einer Zeit murrt der Außendienst, dass man das große Ganze nicht mehr mitkriege. Schadensregulierung und Marketing beklagen sich, dass sie in so viele einzelne Sitzungen gehen müssen. Das sei ineffizient. Zeit für eine Umorganisation.

Spannend wird es immer dann, wenn ein neuer Chef kommt. Mit höchster Wahrscheinlichkeit will er etwas umorganisieren, und mit hoher Wahrscheinlichkeit haben altgediente Mitarbeiter die gewünschte neue Organisationsform genau so schon einmal erlebt. Nur dass es später geändert wurde, weil es sich nicht bewährt hatte. Warum, weiß niemand mehr genau, aber das wird sich dann ja bald wieder zeigen.

Kein Wunder, wenn die Mitarbeiter dabei abstumpfen. Je mehr und je häufiger umorganisiert wird, umso weniger nehmen sie es zur Kenntnis. Das Gute ist, dass die Arbeit unabhängig vom gerade aktuellen Organigramm meist trotzdem erledigt wird. Ein Freund, der seit langem als Ingenieur bei einem Konzern arbeitet, sagte einmal: "Ich habe unzählige Umorganisationen erlebt, aber wenn ich ein Problem habe, gehe ich seit 20 Jahren zu denselben Leuten, und die lösen das dann." Er muss nur auf eins aufpassen: Der Chef darf nicht mitbekommen, dass er den organisatorischen Dienstweg umgangen hat.

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