Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:Service am Mitarbeiter

Für Arbeitnehmer brechen wunderbare Zeiten an - heißt es. Denn der kompetente Mitarbeiter wird ein rares Gut. Doch wie könnte die Arbeitswelt der Zukunft aussehen? Sechs knappe Zukunftsvisionen.

Nicola Holzapfel

Für Arbeitnehmer brechen wunderbare Zeiten an, das kann niemandem verborgen geblieben sein. Die Gehälter steigen, Frauen sollen die Vorstandsetagen erobern, Firmen bewerben sich bei potentiellen Beschäftigten. Und es wird so herrlich weitergehen. Zur Zukunft der Arbeit sind folgende sechs Szenarien:

In Vision 1 ist der Wettstreit um die wenigen Fachkräfte in Deutschland voll entbrannt. Anwerbe-Veranstaltungen für Nachwuchskräfte finden bereits in Kinderkrippen statt. Nach tumultartigen Zusammenstößen von Vertretern verschiedener Unternehmen vor Kitas in München und Frankfurt, sind Events zur Mitarbeiterwerbung bundesweit genehmigungspflichtig. Spätestens zum Schulwechsel haben alle Kinder einen Arbeitsvertrag. "Wir müssen über In-Vitro-Recruiting" nachdenken, sagte ein Vorstand für Personalmarketing, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Auf Wunsch führender Unternehmen hat die Greencard den Personalausweis abgelöst.

Vision 2: Die Generation 80plus gilt als lukrativste Zielgruppe der Weiterbildungsbranche. "Young-up your Work", eines der beliebtesten Lern-Angebote, wird über Kinosäle verbreitet. Koalition und Gewerkschaften haben sich darauf geeinigt, das Renteneintrittsalter auf 92 Jahre zu erhöhen. Frühere Altenpflegekräfte werden von der Bundesagentur für Alter (BA) zu E-Learning-Dozenten umgeschult.

Vision 3: Service am Mitarbeiter ist das Schlagwort. Die Arbeitgeber tun alles dafür, damit ihre Beschäftigten Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbaren können. Dank unternehmensübergreifender Forschungsinvestitionen konnte das Schlafbedürfnis um 50 Prozent reduziert werden. Dem können die Mitarbeiter direkt in der Firma nachkommen. "Sleep-in-Office" liegt im Trend. Angestellte mit Kindern können diese im betriebseigenen Kindergarten 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche abgeben. "Eltern brauchen Zeit, so können sie arbeiten", lobte der Familienminister. Weil bei all der Arbeit niemand Zeit hat Geld auszugeben, wurde die dreijährige Ausbildung zum Professionellen Konsumenten konzipiert.

Vision 4: Der i-Button hat sich als führende Kommunikationstechnologie durchgesetzt. Die Aufgaben von Fach- und Führungskräften beschränken sich aus Gründen der Zeitersparnis darauf, Entscheidungen zu fällen. Per Knopfdruck werden die Tätigkeiten in ausländische Working-Exklaven exportiert.

Vision 5: Die Männerbeauftragte der Bundesregierung fordert dringend eine Aufstiegsquote: "Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, damit wieder mehr Männer aufsteigen können. Deswegen setzen wir auf mehr Hierarchie-Ebenen." Das Modell der Jo-Jo-Hierarchie soll nun den Spitzenverbänden der Privatwirtschaft vorgestellt werden.

Vision 6: Flexi-Work hat die Festanstellung abgelöst. Firmen sind virtuell organisiert, die Honorar-Beschäftigten arbeiten von überall. Mc-Desk-Sharing-Lokale prägen das Stadtbild. Die wenigen Festangestellten müssen staatlich subventioniert werden, damit sie nicht kündigen. Die Koalition streitet um Maximum-Honorare. "Wir brauchen eine Verdienst-Obergrenze, um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu sichern", twittert die Regierungssprecherin. Oben auf den Bestseller-Listen steht der Titel "Ich bin dann mal da."

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SZ vom 07.11.2011/gal
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