Führungsspitzen:Sag zum Abschied leise gar nichts

Wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, zeigt sich, wie es um die Stimmung in der Abteilung wirklich bestellt ist. Gibt es zum Abschied eine E-Mail, eine Wutrede oder eine Abschiedsfeier? Und wer ist eingeladen? Jede Aktion spricht für sich.

Harald Freiberger

Der Mai ist nicht nur ein Wonnemonat, er ist auch ein Monat des Abschieds. Abiturienten nehmen Abschied von ihrer Schulzeit, ein Kollege erzählte, dass sein Sohn am vergangenen Wochenende seinen Ausstand im Kindergarten gegeben habe. Ein anderer Kollege verschickte Freitagabend eine Mail, dass er nach fünf Jahren das Unternehmen verlasse ("natürlich nicht ohne ein kleines bisschen Wehmut"), weil er ein "tolles Angebot" erhalten habe. Er bedanke sich "bei Euch und Ihnen für die schöne Zeit" und hoffe, "dass wir privat oder beruflich irgendwie in Kontakt bleiben".

Arbeit

Einfach gehen, ohne ein Wort: die härteste Form des Abschieds aus einem Unternehmen.

(Foto: iStockphoto)

"Abschied ist immer auch ein kleiner Tod", sagt ein französisches Sprichwort, und es gilt für das Privatleben ebenso wie für das berufliche Leben. Im Moment der Trennung zeigt sich, wie es um eine Beziehung bestellt ist. Kann man in Ruhe und Freundschaft auseinandergehen? Im Arbeitsleben macht jeder Abschied deutlich, wie es um das Betriebsklima bestellt ist.

Natürlich muss man unterscheiden zwischen einem freiwilligen und einem erzwungenen Abschied. Geht ein Kollege, weil er eben ein "tolles Angebot" hat, ist es nicht so schlimm. Der Abschied kann sogar sehr fröhlich werden und hinterlässt außer vielleicht einem Kater meist keinen größeren Schaden.

Anders verhält es sich, wenn jemand gezwungen wird zu gehen, sei es, weil die Chefs mit seiner Leistung nicht zufrieden waren, sei es, weil im Unternehmen Personal abgebaut wird oder beides. Der Abschied ist dann häufig mit einer tiefen persönlichen Verletzung verbunden, mit Vorwürfen gegen die Verantwortlichen, mit Führungskräften, die mit der Situation nicht umgehen können, mit verstörten, vielleicht auch befreundeten Kollegen, die zurückgelassen werden.

Am traurigsten sind Abschiede, die sang- und klanglos vonstatten gehen. Der Kollege ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, ohne etwas zu sagen, ohne jemandem die Hand zu schütteln, ohne eine Mail zu verschicken. Nicht jedem ist es gegeben, über eine tiefe persönliche Verletzung hinwegzusehen und trotzdem Lebewohl zu sagen. Einmal verschickte ein Kollege, der Jahre vorher aufs Abstellgleis gesetzt worden war, eine Abschiedsmail an alle, in der er über alles und besonders über die Vorgesetzten schimpfte und deutlich machte, wie sehr im Unfrieden er ging. Das war immer noch besser, als wenn er gar nichts geschickt hätte.

Eine Stufe höher als die Mail ist in der Rangliste der Abschiede der Ausstand einzustufen, also das persönliche Fest, zu dem alle eingeladen sind. Doch auch das kann gründlich schiefgehen und zeigen, wie vergiftet das Klima im Betrieb ist. Ganze Abteilungen, die nicht erscheinen, weil sie mit der Abteilung des Betroffenen verfeindet sind, offene Abrechnungen in der Abschiedsrede, betretenes Schweigen mit Sektglas in der Hand. Oder die heimlichen Feste, zu denen nur ein Teil der Mannschaft eingeladen, der andere Teil aber ausgeschlossen wird.

In solchen Fällen wäre es vielleicht besser, wenn man doch nur eine Mail verschickte. Auf diese Weise verabschiedete sich einmal ein Kollege, der ebenfalls tief verletzt war. Er schrieb, dass ja jeder wisse, warum er gehe, dass vieles schlecht gelaufen sei, dass er aber trotzdem allen alles Gute wünsche. Das hatte etwas Tröstliches.

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