Führungsspitzen:Management by Lunch

Das Mittagessen ist für den Chef zuweilen schwer verdaulich: Entweder wird er zum Selbstversorger, oder er begleitet seine Mitarbeiter in die Kantine.

Alexandra Borchardt

Chefs werden in aller Regel gut bezahlt, weil sie schwierige Entscheidungen treffen müssen. Eine davon betrifft das Mittagessen. Während der normale Mitarbeiter der Nahrungsaufnahme meist als angenehmer Unterbrechung des Arbeitsalltags entgegensieht, ergibt sich daraus für die Ranghöheren ein Dilemma. Immerhin könnte jemand nach dem Grundsatz: "Sage mir, mit wem du isst, und ich sage dir, was für ein Vorgesetzter du bist" Rückschlüsse auf Führungsqualitäten ziehen.

Currywurst mit Pommes

Deftiges Mittagsmahl: Es gibt Chefs, die am liebsten neben den Bandarbeitern auf Currywurst oder Klopse warten.

(Foto: Foto: dpa)

Nur dem souveränen Chef ist das herzlich egal. Er genießt das Privileg seiner Beförderung, indem er sich mittags generell mit anderen auf diese Weise Privilegierten verabredet. Zwischen Pasta und Panna cotta werden Geschäfte gemacht und Bewerber sondiert. Es soll Spitzenkräfte geben, die Führen als endlose Folge von Mittagessen verstehen - "Management by Lunch" wäre wohl der passende Anglizismus.

Allerdings kann es diesen Unterstützern der örtlichen Gastronomie passieren, dass sich irgendwann das Controlling an ausufernden Spesenrechnungen und der Ehepartner an ebensolchen Körperformen stört. In diesen Fällen bleiben dem Chef zwei weitere Möglichkeiten: Entweder wird er zum Selbstversorger, oder er begleitet seine Mitarbeiter in die Kantine. Nun hat es zwar etwas Genügsames, sich während des E-Mail-Checks am Schreibtisch mal eben ein Brötchen hineinzuzwängen. Diese Methode ist jedoch weder bei der nächsthöheren Führungsebene ("Kennt der niemanden?") noch bei den Beschäftigten beliebt, die sofort um die Legitimität der eigenen Mittagsfreizeit fürchten. Bleibt die Kantine.

Aber auch diese Übung ist nicht ganz einfach. Klar, man könnte sich künftig zu jenen sympathischen Cheftypen zählen, über die es in Porträts gerne heißt, sie würden, statt im Casino zu speisen, am liebsten neben den Bandarbeitern auf Currywurst oder Klopse warten. Wer öfter an der Basis isst, kann schließlich viel erfahren über die Stimmung im Betrieb, die Sorgen und Ideen der Belegschaft. Andererseits möchte der tolerante Vorgesetzte seinen Mitarbeitern auch die Freiheit gewähren, während der Mittagspause mal unter sich zu sein. Wo sonst schließlich lässt es sich besser über ihn, den Vorgesetzten, lästern?

Auf der nächsten Seite: Was richtig gute Chefs gemeinsam haben.

Management by Lunch

An der Kantinen-Frage offenbart sich die Gratwanderung, die der Chef von Tag eins an bewältigen muss: jene zwischen Nähe und Distanz. Management-Ratgeber empfehlen im Zweifel Letztere. "Ihre Mitarbeiter müssen Sie nicht lieben, sie müssen Sie respektieren", heißt es dort in Abwandlungen. Das fällt manchen schwer, vor allem, wenn sie vorher zu dem Team gehörten, das sie jetzt führen. Und ist es überhaupt richtig?

Denn tatsächlich gibt es sie doch, jene Chefs, die von den Mitarbeitern geliebt werden. Wer sie anschaut, stellt fest: Es sind Kantinen-Geher darunter, Restaurant-Esser und Brötchen-Vertilger. Solche, die mit allen per du sind, und solche, die nach 30 Jahren noch Herrn Meier zum Gespräch in ihr Büro bitten. Aber sie haben etwas gemeinsam, diese richtig guten Chefs: Sie mögen ihre Mitarbeiter. Sie kennen deren Qualitäten, sie fordern ihre Beschäftigten, und sie stehen für sie ein - ohne sich selbst allzu wichtig zu nehmen.

Die Wahrheit offenbart dann doch der Kantinen-Test: Wer am Mittagstisch mit seinen Mitarbeitern nur betretenes Schweigen erntet, kann sich sicher sein, dass er von diesem Profil noch weit entfernt ist.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: