Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:Lieblingskollege Kaffeemaschine

Sie spricht einen am Montagmorgen nicht ungefragt an, mault nicht über das zu geringe Gehalt und ist immer da, wenn man sie braucht: Die Kaffeemaschine ist der Trost im Alltag - wenn da nicht das Chaos in der Küche wäre.

Nicola Holzapfel

Gefragt nach ihrem Lieblingskollegen sagen manche "die Kaffeemaschine". Das ist verständlich. Sie spricht einen zum Beispiel am Montagmorgen nicht ungefragt an. Dafür ist sie immer erreichbar und hat nicht einfach den Anrufbeantworter angeschaltet, wenn man sie mal braucht. Sie hat auch nichts dagegen, wenn man die dreckige Tasse neben ihr stehen lässt.

Im Grunde ist die Büroküche der ideale Zufluchtsort für gestresste Mitarbeiter und Vorgesetzte, wären da nicht die Kollegen. Die schaffen es in Nullkommanix aus der Ruheoase eine Konfliktzone zu machen, wie jüngst wieder eine Umfrage des Jobvermittlers Office Team Interim gezeigt hat.

Demnach ärgern sich Mitarbeiter über die Unordnung der anderen, über gammelige Essensreste im Kühlschrank und vor allem darüber, wenn ihnen heimlich das selbst mitgebrachte Essen weggefuttert wird. Letzteres ist nicht nur gemein, sondern zeigt auch, wie schnell Kollegen einander den Joballtag zur Hölle machen können. Kein Wunder, dass unangenehme Mitarbeiter zu den wichtigsten Kündigungsmotiven zählen.

Auch manchem Vorgesetzten wäre die Idee, ein Team von Kaffeemaschinen zu führen, sicher hin und wieder sehr willkommen, schlägt er sich doch tagaus tagein mit eigensinnigen Mitarbeitern herum. Statt beruhigend brummelnder Töne beim Brühvorgang hört er von ihnen Klagen über zu geringe Gehälter. Und dann soll er ihnen auch noch Kostensenkungen vermitteln und Ziele vorgeben, an deren Einhaltung er selbst nicht glaubt. Und was ist der Dank? Die Arbeitnehmer nehmen an Umfragen über die Qualität von Führungsleistungen teil, in denen sie hart urteilen. Hier müssen die Chefs dann lesen, dass sie Kündigungsgrund Nummer eins sind. In einer Online-Befragung der Ruhr-Universität Bochum gab fast ein Viertel der Teilnehmer ihren Vorgesetzten die schlechtest mögliche Bewertung.

Niemals käme eine Kaffeemaschine dazu, solche Überlegungen auch nur anzustellen, geschweige denn zu äußern. Ja, mit mehr Kaffeemaschinen statt Mitarbeitern wäre das Büroleben sicherlich wesentlich weniger kompliziert. Einerseits. Andererseits neigt der Mensch bekanntlich dazu, das Unbelebte zu vermenschlichen. Er spricht nicht nur in sein Handy, sondern auch mit ihm ("Was ist denn jetzt schon wieder los, du blödes Ding?"), wobei er es ärgerlich schüttelt. Er schimpft auch mit dem Drucker, wenn er einen Papierstau hat. Und wenn der Computer mal ein bisschen länger braucht als sonst, wird er gleich angeschrien.

Der erfahrene Chef seufzt bei solchen Betrachtungen. Er weiß, dass er für mehr Kaffeemaschinen unweigerlich einen Kaffeemaschinen-Administrator einstellen müsste und damit noch einen Mitarbeiter, der ihm seine kostbare Zeit und sowieso schon schwindende Energie stiehlt. Es soll Vorgesetzte geben, die rufen zur Erholung von ihrem anstrengenden Team hin und wieder eine Hotline an. Im Gespräch mit dem Telefonroboter reicht ein "Ja", ein "Nein", eine "1" oder eine "2". Und wenn der Roboter etwas nicht versteht, bittet er nur darum, sich noch einmal zu wiederholen statt eine ausführliche Erklärung zu fordern. Ach, wenn doch alle Gespräche so harmonisch laufen würden, wie schön könnte das Berufsleben sein. Aber so wie die Dinge sind, tröstet nur der gelegentliche Gang zur Kaffeemaschine.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2010/holz
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