Führungsspitzen:Gut geklaut ist halb gewonnen

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Plagiate gibt es in Dissertationen - und im Büro. Freiherr zu Guttenberg lässt seinen Doktortitel angesichts der Vorwürfe ruhen - doch was ist mit den Kollegen, die ständig Ideen klauen?

Harald Freiberger

Freiherr zu Guttenberg lässt seinen Doktortitel ruhen, solange der Vorwurf im Raum steht, er habe Teile seiner Doktorarbeit von anderen Publikationen abgeschrieben. Wenn das Beispiel Schule macht, wird es auch im Arbeitsleben zu großen Umwälzungen kommen. Schließlich besteht ein nicht unbeträchtlicher Teil davon aus Ideenklau.

Kampf dem Plagiarius: Ideenklau gibt es auch im Büro. (Foto: AP)

Wer kennt sie nicht, die Kopier-Experten, diejenigen, die sich mit fremden Federn schmücken, sich mit den Ideen anderer brüsten, sich Orden ans Revers heften für Schlachten, die andere geschlagen haben, die Unkreativen, die noch nie eine eigene Idee hatten, aber trotzdem karrieremäßig an vorderster Front stehen?

Was wird jetzt wohl aus dem Kollegen, dem man neulich auf dem Flur von einer noch unausgegorenen Idee erzählte, die er flugs am anderen Tag in die Teamsitzung einbrachte, nicht ohne dafür vom Chef ein dickes Lob zu kassieren? Muss er seinen Kollegentitel zurückgeben oder wenigstens so lange ruhen lassen, bis der Verdacht ausgeräumt ist? Weil nichts Schriftliches vorliegt, wird der Beweis des Plagiats leider nicht so leicht zu führen sein wie beim Verteidigungsminister.

Manchmal dauert es auch etwas länger, bis Ideen wieder auftauchen. Und es kann durchaus sein, dass sich die Plagiatoren gar nicht mehr daran erinnern, wer den Einfall als Erster hatte. Das Gedächtnis spielt dem Menschen manchen Streich, außerdem neigt er zum Verdrängen. Deshalb ist es gut möglich, dass jemand wirklich daran glaubt, etwas sei seine ureigene Idee gewesen. Er hat einfach vergessen, dass es ein anderer war. Dahinter muss nicht unbedingt böser Wille stecken.

Erleichtert wird der geistige Diebstahl dadurch, dass schöpferische Menschen oft auch sehr zurückhaltend sind. Sie denken sich ihren Teil, wenn sich ein anderer ihre Idee zu eigen macht, aber sie würden nie dagegen rebellieren, schon gar nicht in großer Runde. So kommt es, dass der Plagiator im Arbeitsleben mit seiner Masche oft durchkommt.

Die Rede ist hier nicht von Vorgesetzten und Untergebenen. Es gehört zur Natur der hierarchisch angelegten Arbeitswelt, dass Mitarbeiter ihrem Chef zuarbeiten und dieser sich die Ideen seiner Mitarbeiter zu eigen macht. Diese Art von Übernahme geistigen Eigentums ist geschenkt und mit dem Gehalt entgolten. Ärgerlich aber ist geistiger Diebstahl unter Kollegen auf gleicher Ebene oder von anderen Abteilungen.

Eine andere Frage ist, ob die Aneignung und Weiterentwicklung von Ideen anderer nicht auch zum Fortschritt des Unternehmens und der Gesellschaft insgesamt beiträgt. Der Apple-Konzern ist nicht so sehr bekannt dafür, Ideen als Erster zu haben, als vielmehr dafür, sie kongenial zu vermarkten. Die Kunstgeschichte ist zu einem guten Teil auch eine Geschichte des Klauens.

Von Bert Brecht ist bekannt, dass er manche seiner begnadeten Zeilen nicht selbst erfunden hat. Aber immerhin hat er sie auf neue Weise zusammengefügt. Bob Dylan bediente sich ausgiebig im großen Fundus der amerikanischen Musikgeschichte. Einen seiner späteren Songs schrieb er sogar komplett ab - von einem japanischen Dichter, vielleicht damit es nicht so auffällt. Das Album hieß übrigens "Love And Theft" - Liebe und Diebstahl.

Das aber soll keine Rechtfertigung für den Kollegen von neulich oder für Guttenberg sein. Es ist nun mal ein Unterschied, ob man etwas aus Liebe plagiiert oder um der Karriere willen.

© SZ vom 22.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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