Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:Gesucht: Der Super-Mitarbeiter

Unternehmen casten tausende Kandidaten, um die eine Spitzenkraft zu finden. Der tägliche Wettbewerb gipfelt in der Leistungsbezahlung.

Nicola Holzapfel

Im Fernsehen ist Casting der Hit: In immer neuen Formaten müssen sich Möchtegern-Models, Sänger, und Schauspieler beweisen. Am Ende bleibt von Tausenden Kandidaten ein Sieger übrig, der den einen Job erhält, um den alle kämpfen. Doch mittlerweile grassiert der Virus auch in Unternehmen. Dies wissen nicht nur Bewerber, die sich in tagelangen Assessment-Centern behaupten müssen und deren Eignung durch Rollenspiele und Gruppendiskussionen geprüft wird (damit am Ende doch die Falschen ausgewählt werden). Auch Beschäftigte in Unternehmen arbeiten heute unter Casting-Bedingungen: Es reicht nicht mehr, einfach nur seinen Job gut zu machen. Viele Firmen messen inzwischen genau, was ihre Beschäftigten im Vergleich zueinander leisten.

Der tägliche Wettbewerb gipfelt in der Leistungsbezahlung. Firmen vereinbaren Boni mit jedem einzelnen Arbeitnehmer, die an individuelle Ziele gekoppelt sind. Nur wer die am Ende des Jahres voll erfüllt, kann mit der Auszahlung seines vollen Bonus rechnen. Wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Nordsoft zeigt, ziehen einige Firmen, die auf leistungsbezogene Vergütung umstellen, den Bonus einfach vom bisherigen Fixgehalt ab. So wollen Arbeitgeber das Maximum an Produktivität aus ihrer Belegschaft und jedem einzelnen Mitarbeiter herausholen.

Leistungsspielchen in Unternehmen

Einige Unternehmen treiben diese Leistungsspielchen so weit, dass sie betriebsintern Rankings verbreiten, in denen die Erfolge der Mitarbeiter allen Kollegen zugänglich gemacht werden. Dass sich Arbeitgeber damit keinen Gefallen tun, zeigt eine neue Studie, die das Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn veröffentlicht hat. Demnach schadet eine solche offene Konkurrenz der Qualität der Arbeit. Die Wissenschaftler organisierten ein Experiment: Probanden wurden in einzelne Abteilungen aufgeteilt und mussten in einer vorgegebenen Zeit Rechenaufgaben lösen. In verschiedenen Spielvarianten wurden die Teilnehmer unterschiedlich stark über den Punktestand der anderen "Abteilungen" informiert. Dabei wurden sie entweder für jede gelöste Aufgabe bezahlt, oder sie mussten die gesamte Belohnung an den besten Spieler abtreten. Egal wie die Teilnehmer entlohnt wurden: Das Wissen um die Leistung der anderen schadete der Arbeitsproduktivität der gesamten Gruppe. Zwar wurde bei einigen der sportliche Ehrgeiz geweckt, bei anderen nahm aber die Fehlerhäufigkeit deutlich zu. Vor allem leistungsschwächere Mitarbeiter fühlten sich nicht angespornt, sondern durch den Punkterückstand verunsichert - und wurden immer schlechter.

Einen Rat haben die Wissenschaftler für die Arbeitgeber: Unternehmen sollten lieber kein ständiges öffentliches Feedback-System einführen, wenn ihnen etwas an der Leistung der schwächeren Mitarbeiter liegt.

Gesucht: Der Super-Mitarbeiter

Gerade diese scheinen vielen Arbeitgebern jedoch eher ein Dorn im Auge zu sein. In Seminaren zum "Umgang mit Low-Performern" werden höchstens Ratschläge gegeben, wie man die weniger guten Mitarbeiter los wird, statt zu zeigen, wie man mehr aus ihnen herausholt. Die Unternehmen setzen lieber auf den "Super-Mitarbeiter". Ruhm erntet, wer die meisten Tore schießt. Dabei wird vergessen, dass der erfolgreiche Torjäger eine eingespielte Mannschaft braucht, die seine Treffer vorbereitet. Leider geht Teamgeist in einem überreizten Leistungsklima flöten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.199861
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.05.2008/sam
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.