Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:"Gehalt wie eine gesengte Sau"

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Besserausseher sind auch die Besserverdiener: Wie es kommt, dass die schöneren Menschen oft auch die dickeren Lohntüten haben.

H. Unterstöger

Eine der tröstlichsten Zeichnungen der neueren Cartoongeschichte ist von F. K. Waechter. Sie zeigt eine attraktive Frau in Begleitung eines ungeheuer hässlichen Mannes, der Text dazu lautet: "Er sieht zwar nicht gut aus, aber er küsst wie eine gesengte Sau." Wer von der Natur vergleichbar stiefmütterlich behandelt worden war, der konnte dies Blatt immer wieder hervorholen und sich sagen: Genau so einer bin ich auch, jetzt bräuchte ich nur noch eine Frau, die mir das abnimmt.

Kürzlich trat das Journal of Applied Psychology mit einer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Verstand, Aussehen und Einkommen an die Öffentlichkeit. Auf eine Schlagzeile destilliert, sieht die Sache so aus, dass die Besserausseher auch die Besserverdiener sind, ein Resultat, das auf den ersten Blick irritiert, falls dieser erste Blick den reichsten Männern der Welt gilt.

Geld wie eine gesengte Sau

Was immer man von Leuten wie Bill Gates, Warren Buffett, Carlos Slim oder Lakshmi Mittal halten mag: Schönheitskönige sind sie keine, und das wird wohl auch für die Brüder Albrecht von Aldi gelten, von denen es vielleicht genau deswegen so gut wie keine Fotos gibt. Andererseits und um an den F. K. Waechterschen Meisterküsser anzuschließen: Geld hat jeder von ihnen wie eine gesengte Sau.

Auf den Alltag lässt sich das schwer übertragen. Nichts wird in den Betrieben peinlicher verschwiegen als die Höhe der Gehälter. Mit leidlicher Sicherheit kann man sich nur an die hierarchischen Ränge halten und daraus ableiten, dass der Chef beispielsweise besser verdient als der Pförtner, und sei dieser gleich tausendmal schöner als jener.

Überhaupt sträubt sich in einem alles gegen ein so geartetes Schönheitskriterium, mag man auch sonst die Schönheit durchaus anerkennen und respektieren. Die Schönheit, du meine Güte! Als Himmelsmacht lässt man sie sich ja gefallen. Aber ein persönliches Verdienst wie die Pünktlichkeit oder mühsam erworbene Spezialkenntnisse in der Debitorenbuchhaltung ist sie nach allgemeinem Dafürhalten nicht, und aus diesem Grund werden Kollegen, die allzu deutlich auf ihr Aussehen setzen, auch für Gecken und - im Beruflichen - für Nichtsnutze gehalten.

Herrje, was für eine bezaubernde Marketingmanagerin!

Wer nun vermutet, den besseren Gehältern der Schönen liege Unredliches oder gar Sündiges zugrunde, der irrt. Der genannten Studie nach wirkt die Schönheit keineswegs so auf den Personalchef ein, dass er ausruft: Herrje, was für eine bezaubernde Marketingmanagerin, ob ich da nicht mal noch einen Tausender drauflege! Es handelt sich dabei vielmehr um einen speziellen Fall von Umwegrentabilität, dergestalt, dass der schöne Mensch durch seine physical attractiveness in die Lage versetzt wird, mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln als der Klotz neben ihm, was wiederum dazu führt, dass ihm auch die Arbeit leichter von der Hand geht - und all das mündet von Zeit zu Zeit in eine nette Gehaltserhöhung.

Gerecht im strengen Sinn ist das nicht, jedenfalls nicht aus Sicht der weniger Schönen, die sich mit Recht, doch gänzlich sinnlos fragen, warum ihnen so eine Grundausstattung versagt geblieben ist. Zwar heißt es "Schönheit vergeht, Tugend besteht", aber mit diesem säuerlichen Trostwort ist ebenfalls nichts ausgerichtet. Wenn es nämlich beim schönen Kollegen endlich so weit ist, dass die Schönheit abbröckelt, hat er die Besoldungsendstufe längst erreicht. Da ist dann die Tugend auch kein Problem mehr.

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SZ vom 22.6.2009/bön
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