Führungsspitzen:Dein Feind, der Software-Entwickler

Der Experte ist verliebt in seine neue Anwendung, doch der Nutzer stöhnt: Warum nur müssen Computersysteme immer wieder aktualisiert werden? Was im Privatleben die Beziehung zwischen Mann und Frau, ist im Arbeitsleben die von Software-Entwickler und Software-Anwender. Ihr Verhältnis ist geprägt von tiefem gegenseitigen Unverständnis.

Harald Freiberger

Dieser Text wurde unter erschwerten Umständen erstellt, da in einem frühen Stadium des Schreibens plötzlich ein Fenster aufpoppte, in dem stand: "Die Konfigurationsdatei hrcache.cfg wurde nicht gefunden."

Multitasking Büro

Was ist denn jetzt schon wieder los? Rätselhafte Fehlermeldungen und neue Software machen Anwendern das Leben schwer.

(Foto: iStock)

Das sind die Herausforderungen des modernen Berufslebens für Arbeitnehmer, die bisher gar nicht wussten, dass eine Konfigurationsdatei namens hrcache.cfg überhaupt existiert und dass sie auch noch eine so zentrale Rolle spielt. Der Text konnte jedenfalls nicht wie geplant fertiggestellt werden, sondern nur auf Umwegen, die nicht näher erläutert werden müssen. Bringt ja eh nichts.

Passenderweise sollte es in dem Text um die zunehmenden Probleme von Arbeitnehmern bei der Anwendung von Computersoftware gehen. Was im richtigen Leben die Beziehung zwischen Mann und Frau ist, ist im Arbeitsleben die Beziehung zwischen Software-Entwickler und Software-Anwender: ein Verhältnis, das geprägt ist von tiefem gegenseitigen Unverständnis und - wenn es ganz schiefläuft - auch von großer Abneigung.

Der Software-Entwickler ist verliebt in seine Entwicklung. Je komplizierter sie ist, je mehr Anwendungsmöglichkeiten sie bietet, umso mehr liebt er sie. Der Software-Anwender dagegen will von der Software möglichst in Ruhe gelassen werden. Er begreift sie in den seltensten Fällen als ein Hilfsmittel, das ihm seine Arbeit erleichtert. In den meisten Fällen sieht er in ihr etwas, das entweder nicht funktioniert oder, wenn es denn funktioniert, häufig Konfusion stiftet.

Zu den kritischsten Phasen im Berufsleben zählt deshalb die Zeit, in der eine neue Software installiert werden muss. Der Software-Anwender hat sich eben in einem mühsamen Prozess an die alte Software gewöhnt und kann in einer streng automatisierten und limitierten Weise mit ihr arbeiten, da soll er sich schon wieder auf eine neue Software einstellen.

Ein Gefühl von Schikane

Aus der Sicht des Anwenders ist das reine Schikane. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer ihm seine Gewohnheiten nimmt, ist sein Feind. In diesem Fall ist der Feind der Software-Entwickler. Kann es nicht einfach einmal ein Computersystem geben, das ausgereift ist, das man anwendet bis ans Ende seiner Tage?

Warum müssen Softwareentwickler, kaum dass sie ein neues System an den Anwender gebracht haben, schon wieder damit beginnen, die Software der nächsten Generation zu entwickeln? Kann das auch damit zu tun haben, dass sie sich halt mit irgendetwas beschäftigen müssen, weil sie sonst arbeitslos wären?

Aus der Sicht des Softwareentwicklers stellt sich die Angelegenheit anders dar. Für ihn ist der Anwender eine geistig unbewegliche, technisch unterentwickelte Art, die die Segnungen der eigenen Entwicklungen und die unendliche Weite ihrer Möglichkeiten nicht zu schätzen weiß.

Man erzählt sich in eingeweihten Kreisen Geschichten von Anwendern, die 30 Jahre am selben Arbeitsplatz sitzen und wegen eines Problems bei der Hotline anrufen. Als der Softwareexperte dem Anwender empfiehlt, den Computer einmal aus- und wieder einzuschalten, weiß dieser nicht, wie das geht. Er hat das Gerät über Jahrzehnte eingeschaltet gelassen.

Die Charaktere von Software-Entwicklern und Software-Anwendern sind zu unterschiedlich und werden wohl niemals zueinander passen. Sie sprechen verschiedene Sprachen, leben auf verschiedenen Sternen und sind wahrscheinlich sogar völlig unterschiedliche Lebewesen. Das Tragische und Komische ist, dass sie ohneeinander nicht leben können.

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