Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:Briefing für die Deadline

Zwischen Rushhour und Meeting: Anglizismen sind aus dem Business-Alltag nicht mehr wegzudenken. Dabei könnte man auch einfach deutsch sprechen.

Nicola Holzapfel

Redest du noch oder talkst du schon?", fragt ein Anbieter elektronischer Wörterbücher, in dessen Auftrag eine Studie über den Gebrauch von Anglizismen gemacht wurde. Der Umfrage von Casio zufolge überbieten sich vor allem die Jüngeren gegenseitig in der Verwendung englischer Sprach-Einsprengsel. Vor allem im Büroalltag ist das englische Kauderwelsch institutionalisiert. Es beginnt mit der morgendlichen Rushhour, die Stress verursacht, weil man pünktlich zum ersten Meeting erscheinen muss. Dort nervt der Projektmanager, weil der Output nicht stimmt und er nun ein neues Briefing geben muss, damit er seine Deadline einhalten kann. Warum werden ihm auch nur immer solche utopischen Targets gesetzt? Wenn er wenigstens den nächsten Milestone schafft, dann wäre das Wichtigste gehandelt. Und dann, wenn alle Probleme gefixt sind, geht es nach Feierabend zum Relaxen auf die After-Work-Party.

Reinkommen und wieder rausfinden

Beliebt ist auch die Variante mit Abkürzungen. Dann heißt es "cu" in der Mail an die Colls (Kollegen), weil der Verfasser offenbar nicht die Zeit gefunden hat, das vollständige "See you" auszuschreiben und auch auf die deutsche Entsprechung nicht kam. Aber np (no problem), er wird auch mit zwei Buchstaben verstanden. Und damit ist eom (end of message), es sei denn, es gäbe noch etwas Lustiges zu schreiben, dann wäre aber lol nötig (laughing out loud). Viele enden allerdings auch mit einer deutschen Abkürzung: mfg. Immerhin: thx (danke).

Besonders gerne setzen Marketingleute aufs Englische. Sie wollen, dass ihre Kunden "Night-and-Day"-Kaffee trinken und "Happy Digits" sammeln. Die so Umworbenen dürfen nur nicht den Fehler begehen, dieses Dummie-Englisch zu übersetzen. Deprimierend fiel für eine Parfümerie-Kette aus, wie Kunden bei einer Umfrage "Come in and find out" auffassten: Der Großteil verstand "Komme herein und finde wieder heraus".

Englisch turnt ab

Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass die Wortschöpfungen meist einen Haken haben. Bei der Payback-Karte muss man erst einmal kräftig zahlen, bevor etwas Rabatt gewährt wird. Beim Service-Point der Bahn kann man viel erleben, "Service" häufig eher nicht. Auch die Bahn-Comfort-Karte zwingt mitunter zu unkomfortablen Aufgaben. Etwa bei der Eroberung eines Sitzplatzes: "Sind Sie auch Bahn-Comfort-Kunde? Nein? Dann stehen Sie bitte auf, damit ich mich setzen kann." Kein Wunder, dass jeden Zweiten englische Wörter in der Werbung abturnen (pardon: stören).

Wenn schon Fremdsprache, dann wäre es doch auch mal an der Zeit, sich anderer Idiome zu bedienen. Vorreiter ist seit Jahren eine Münchner Bäcker-Kette, die ihren Brotsorten gerne französische Namen gibt. Wer je gehört hat, mit welcher Begeisterung die Kunden dort zum Beispiel ein Öko-Pain-Boulot bestellen (für Anfänger gibt es ein Öko-Parisienne), wünscht sich mehr davon.

Andererseits gäbe es ausreichend Grund, mit der eigenen Sprache zufrieden zu sein. Die Gesellschaft für deutsche Sprache versucht ihr Bestes, das Interesse am Deutschen hochzuhalten. Zur Zeit lobt sie einen Preis dafür aus, ein möglichst langes deutsches Wort zu finden, so wie Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze. Wie wäre es mit Alltagsanglizismusvermeidungsreformbestrebung?

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SZ vom 18.02.2007
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