Führungsspitzen:Ärgern kostet 200 Euro

Überstunden, Ärger mit Kollegen, Stress: Zeit zu testen, ob sich der enorme Einsatz im Job überhaupt lohnt. Ein Online-Rechner enthüllt, dass die Karriere meist ein Draufzahlgeschäft ist.

Nicola Holzapfel

Das Internet ist ein großer Zeitverschwender und für alle Bildschirm-Arbeiter die Verlockung schlechthin. Besser und schneller lässt sich gar nicht von der eigentlichen Aufgabe ablenken als mit einem kurzen Surfen. Da reicht schon eine seriöse Nachrichtenseite, die mal nebenbei zwischen zwei Telefonaten angesteuert wird, und schon ist man in den Tiefen des Webs verloren, zum Beispiel wenn man zufällig an den "Karrierekalkulator" des Wirtschaftsmagazins Capital gerät.

Stress, iStock

Stress im Büro kann teuer werden und ihre Karriere-Bilanz ins Minus drücken.

(Foto: Foto: iStock)

Dieser Online-Rechner bestätigt, was der arbeitende Mensch im Grunde immer schon geahnt hat - dass er mit seinem ständigen Werken von morgens bis abends, fünf Tage und mehr die Woche irgendwie ein wenig vorteilhaftes Geschäft eingegangen ist, bei dem er bei aller Freude, die ihn hin und wieder befällt, über die Jahre gesehen unweigerlich den Kürzeren zieht. Die hohen Steuern und Abgaben, die ewigen Überstunden, die zu Stress zu Hause führen - alles bekannt. Und dann gibt es da plötzlich diesen Karrierekalkulator, der es jedem schwarz auf weiß gibt: Der Job, die vermeintliche Karriere, sie sind nichts anderes als ein riesiges Verlustgeschäft.

"Wer ärgert sich nur zehn Minuten täglich?"

Ein wichtiger Posten, den der Kalkulator in Rechnung stellt, sind der Chef und die lieben Kollegen: "Wie viele Minuten pro Tag verbringen sie damit, sich über die Arbeit, Vorgesetzte und Kollegen zu ärgern?" Das wird schnell teuer. Schon zehn Minuten davon belasten den Karriereertrag mit 200 Euro.

Aber wer ärgert sich nur zehn Minuten täglich? Da dürften eher 30, 60 Minuten zusammenkommen, das macht dann gut 600 Euro, die der Rechner unter "Kosten des inneren Konflikts" aufführt. Hierunter fällt auch, wenn man sich Gedanken über seine Work-Life-Balance macht, also die Herausforderung, Berufs- und Privatleben so miteinander zu vereinbaren, dass keines von beiden zu kurz kommt: Schon zehn Minuten pro Tag machen 150 Euro. Das summiert sich. Wieso kostet mein innerer Konflikt 28.000 Euro?", fragt ein Benutzer verzweifelt.

Der Kalkulator zeigt, wie es "nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben um den persönlichen Karrieresaldo bestellt ist". So lautet das Versprechen. Die Berechnungen sind einfach und transparent. Vom Jahresgehalt gehen sämtliche Aufwendungen ab, die der Job mit sich bringt: Unbezahlte Arbeitszeiten, dazu die Dienstreisen, das tägliche Pendeln.

Was nun? Aufhören zu arbeiten?

Und das ist noch lange nicht alles: Dazu kommen die Partnerkosten als Ausgleich für das fehlende familiäre Engagement: pro Überstunde ein paar hundert Euro. Dann das Scheidungsrisiko! Die Erkrankungskosten wegen verminderter Lebenserwartung, die bei einer Arbeitszeit von 50 Stunden pro Woche und mehr anfallen: 5000 Euro und mehr! Die Pendelkosten! Die Reisekosten! Die Kosten für unbezahlte Mehrarbeit! Die Kosten für entgangenen Urlaub!

Dann sind da noch die stattlichen, nicht näher spezifizierten "Zusatzkosten", die sicher für die Bandscheibenabnutzung wegen der ewigen Sitzerei vorm Bildschirm stehen oder für das Kantinenessen mit fetteren Soßen als daheim. Oder die Ausgaben für die Antifaltencreme, die die jobbedingten Sorgenfurchen wieder glätten sollen.

Der Saldo ist klar negativ. Die persönlichen Ausgaben für die Karriere summieren sich auf weit mehr als das Gehalt, das es als Gegenleistung gibt. Was nun? Aufhören zu arbeiten? Nein, denn ein Posten fehlt, der auf die Habenseite gehört: Ausgleichszahlungen für sinnlose Beschäftigungen im Internet während der Arbeitszeit.

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