Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:Achtung, der Neue kommt

Kollegen und Mitarbeiter richten über jeden, der einen neuen Posten antritt. Besonders groß ist das Risiko für Turbulenzen, wenn es sich bei dem Wechselnden um eine Art Chef handelt. Denn wer tritt schon jemandem unbefangen gegenüber, der einen irgendwann rauswerfen könnte?

Alexandra Borchardt

Ach, wenn's doch mit der Unterschrift erledigt wäre. Da hat sich der Job-Hopper gequält durch Bewerbungsschreiben, Vorstellungsgespräche, das Feilschen mit dem alten Chef, und nun dies: beim Antrittsbesuch in der neuen Heimat - nur Misstrauen. So mag es dem langjährigen Grünen-Funktionär Oswald Metzger gehen, der nach öffentlich zelebrierter Kündigung und Stellensuche in der vergangenen Woche bei den Christdemokraten unterschrieben hat. Und nun liegt alles beim Kreisverband Biberach. Ein paar Provinzpolitiker aus einer Region, die der Rest Deutschlands vor allem aus dem Kinderlied "Auf de schwäbsche Eisebahne" kennt, sollen über den Mann befinden, der die CDU die Marktwirtschaft lehren will.

Dabei geht es Metzger wie jedem, der einen neuen Posten antritt. Kollegen und Mitarbeiter werden über ihn richten. Dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt, wie Hermann Hesse dichtete, gilt nämlich nur für Anfänger und nicht für diejenigen, mit denen etwas angefangen wird. Besonders groß ist das Risiko für Turbulenzen, wenn es sich bei dem Wechselnden um eine Art Chef handelt. Denn wer tritt schon jemandem unbefangen gegenüber, der einen irgendwann rauswerfen könnte.

Geräuschlos starten, loben und auf den eigenen Kurs steuern

Gut hat es der Neuling, dessen Vorgänger eine Niete war. Dann ist die Geduld der Mitarbeiter strapaziert: "Es kann nur besser werden." Schlechter trifft es den, dem bei der Einstellung gesagt wurde, er habe es mit einem Laden voller Nieten zu tun: "Räumen Sie da mal auf." Er könnte das glauben und dabei übersehen, dass sich mit vielen seiner Mitarbeiter doch etwas anfangen ließe, würde man sie nur ein wenig kennenlernen. Denn kaum jemand kann und sollte nach dem Start das ganze Team auswechseln.

Pech hat jener Einsteiger, der einem folgt, dem die Mannschaft noch nachtrauert. "Bei Frau XY haben wir das immer so gemacht", wird er sich anhören müssen, und wenn er es nicht hört, dann, weil es alle hinter seinem Rücken flüstern. Da hilft nur, geräuschlos starten, XY loben und langsam auf den eigenen Kurs steuern; immerhin könnte man von diesen loyalen Mitarbeitern auch mal profitieren. Ein Anfänger ist, wer sich selbst auf diese Formulierung stützt. "Bei den Grünen hätten wir darüber noch einmal diskutiert", könnte Metzger sagen. Schon kommt der Pfiff: Abseits.

Bewährungsprobe als Bulldozer

Also heißt es, den Laden erst einmal kennenzulernen. Firmen sind da wie Parteien. Es regieren Traditionen, Ideologien, und überall spüren die Mitarbeiter schnell, wenn der Neue im Grunde nur eine Mission hat: "Hier bin ICH."

Es gilt, die Tabus zu finden, die zu beachten sind. Es sei denn, einer ist für den Tabubruch eingekauft. "Sanierer" nennt man ihn dann. Der könnte es ähnlich machen, wie Siemens-Chef Peter Löscher bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr. Der einst beim Konkurrenten General Electric aktive Manager sollte nach der Korruptionsaffäre ordentlich ausmisten, versprach aber gleich, er wolle Siemens nicht "general-elektrifizieren". Ein Küchenkabinett werde er auch nicht mitbringen. Sieht später doch einiges aus wie beim US-Konkurrenten, oder holt der Mann den einen oder anderen Vertrauten nach - wen stört's noch.

Derjenige jedenfalls, der sich sofort als Bulldozer bewährt, kann sich des Widerstands der Truppe sicher sein. Dann könnte es passieren, dass er den Zauber des Anfangs anderswo gleich noch einmal erleben darf.

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SZ vom 31.3.2008/bön
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