Führungsprobleme:Nieten in Nadelstreifen

Eine Management-Studie zeigt: In vielen Chefetagen herrscht Orientierungslosigkeit. Führungskräfte haben zwar gute Vorsätze, aber es krankt an der Umsetzung.

Jutta Göricke

Was für eine himmelblaue Aussicht! Den Blick durch das Panoramafenster im 15. Stock des Münchner Hilton-Hotels bedenken die Anwesenden beeindruckt mit Ohs und Ahs. Sehen Sie mal, dort im Norden, der neue Büroturm! Und das Gebäude dahinter, hat das nicht kürzlich die Firma XY bezogen?

Punkt 10.30 Uhr weicht das Bewundern der Skyline der Konzentration auf das Wesentliche. Schließlich ist man zusammengekommen, um Neues über die Qualität der Arbeit von Führungskräften in Deutschland zu erfahren. Von solchen Leuten also, die hoch oben in den Top-Etagen der Bürotürme von Hamburg bis Stuttgart zu finden sind.

Eingeladen dazu haben die Management-Akademie München und die Lux Kultur Agentur. Sie stellen die Ergebnisse einer repräsentativen Studie zum Thema "Strategisches Management" vor, die Meinungsforscher von TNS Infratest in ihrem Auftrag erarbeitet haben. Befragt wurden Führungskräfte der obersten Ebene, aus allen Branchen und Unternehmensgrößen - vom Klein-Betrieb mit 30 Mitarbeitern bis zu DAX-notierten Konzernen.

Chronische Selbstüberschätzung

Um das Fazit vorwegzunehmen: Den Top-Managern wird ein katastrophales Zeugnis ausgestellt. Ausgerechnet bei genuinen Aufgaben einer Führungskraft - wie etwa der Entwicklung und Begleitung von Zielvereinbarungsprozessen - gibt es dramatische Defizite. "Eigentlich müssten die Gehälter der Chefs nach unten korrigiert werden", sagt Geschäftsführer Gerhard Lux.

Vor allem hinsichtlich der internen Prozesse und Abläufe in den Unternehmen klaffen Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So geben beispielsweise 54 Prozent der Befragten die Kundenorientierung als wichtigsten Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens an. Warum aber nutzen dann nur sieben Prozent der Chefs Ergebnisse von Kundenbefragungen als Basis für Zielvereinbarungen mit ihren Mitarbeitern?

Nieten in Nadelstreifen

Am zweitwichtigsten für den Unternehmenserfolg sind nach Einschätzung der Topmanager die Mitarbeiter. Immerhin 43 Prozent der Befragten sehen das so. Den eigenen Anteil bewerten sie weitaus schwächer: Nur 28 Prozent finden, dass das Management selbst verantwortlich ist für Erfolg oder Misserfolg.

Für Ulrich Rohde, Geschäftsführer der Management-Akademie, heißt das: "Führungsarbeit wird vollkommen überbewertet, gerade im Top-Bereich." Immerhin will er nicht ganz von der Hand weisen, dass mancher Befragte den Löwenanteil am Erfolg womöglich aus Bescheidenheit seinen Mitarbeitern überlassen habe. Wobei Rohde zugleich betont, dass er in Führungsetagen eher auf chronische Selbstüberschätzung denn auf Bescheidenheit getroffen sei.

Orientierungslosigkeit im Management

Fast 30 Prozent der Chefs finden, dass klare Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern von großer Bedeutung sind. Erstaunlich, dass nur ein Drittel der Unternehmen einen systematischen Zielvereinbarungsprozess definiert hat. Bei kleinen Unternehmen sind es gar 55 Prozent, die auf dieses wichtige Instrument der Mitarbeiterführung verzichten. Dabei gilt: Je weiter unten in der Hierarchie, desto weniger werden Zielvereinbarungen offenbar für nützlich erachtet.

Kaum Zielvereinbarungen, das Fehlen von Jahresgesprächen deuten auf ein weiteres Defizit hin: die mangelnde firmeninterne Kommunikation. Ulrich Rohde beklagt, dass "schon ein Geschäftsführer oft nicht weiß, was der andere tut und denkt".

Nieten in Nadelstreifen

Wenn es dann darum gehe, strategische Planungen in konkrete Arbeitsanweisungen nach unten zu übersetzen, entstehe ein Kuddelmuddel. "Wir beobachten Orientierungslosigkeit beim Management. Das ist oft wie Stochern im Nebel. Da stellt sich uns die Frage, ob jede Führungskraft weiß, was Management überhaupt ist."

Auch die strategische Planung, die Vision für das Unternehmen, stellt sich problematisch dar. Zwar geben die meisten Befragten an, sie planten langfristig - bis zu drei Jahren. Allerdings werde in der Praxis die Marschrichtung bis zu mehrmals im Jahr geändert. Das stiftet Verwirrung, erst recht bei mangelnder Kommunikation. Fast die Hälfte der Befragten konstatiert denn auch "hohe bis äußerst hohe Reibungsverluste bei der Umsetzung strategischer Ziele".

Da hilft nur eines, sagt sich nicht nur der Geschäftsführer einer Management-Akademie: Führungskräfte brauchen Fortbildung. Allerdings ist die Aussicht mangels Einsicht schlecht: Die Top-Manager sehen keinen Bedarf. 22 Prozent meinen, dass "alle Kompetenzen vorhanden seien". Da ist der Blick in den Münchner Sommerhimmel viel versprechender.

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