Frauen wie Bianca Reeh sind selten in der deutschen Arbeitswelt. Die Industriekauffrau wurde 2016 Vertriebschefin beim Mittelständler Dokuworks - obwohl sie nur 25 Stunden pro Woche arbeitete. Die alleinerziehende Mutter führt seitdem ein Team von sechs Verkäufern und drei Beratern bei dem IT-Consulting-Unternehmen im Siegerland, das insgesamt 30 Mitarbeiter beschäftigt.
Im vergangenen Jahr wurde Reeh zur Prokuristin befördert und gilt damit als rechte Hand von Inhaber Markus Weber. Ihre Arbeitszeit ist trotzdem gleich geblieben. Sie arbeitet dreieinhalb Tage, ist also von Montag bis Donnerstagmittag im Büro, der Rest der Woche gehört den Töchtern, elf und sechs Jahre alt.
Wie schafft sie das? "Ohne klare Strukturen und ein gutes Projektmanagement geht es nicht", sagt die 37-Jährige. "Ich tausche mich jeden Tag mit der Geschäftsführung aus, dadurch bin ich immer gut über den Stand aller Projekte informiert." Auch im Team sei ständiger Austausch Trumpf, sagt Reeh. "Mit jedem Mitarbeiter bespreche ich mich mindestens einmal pro Woche ausführlich." Wenn besonders wichtige Projekte anstehen, ist sie rund um die Uhr erreichbar - auch in der Freizeit.
"Wenn man in Teilzeit führt", sagt Reeh, "muss man seine Maßstäbe verschieben - daheim und im Büro." Man dürfe sich beispielsweise nicht unter Druck setzen, wenn die Wohnung mal nicht perfekt aufgeräumt sei. "Auch im Büro muss ich klare Prioritäten setzen und meine Mitarbeiter sehr selbständig arbeiten lassen."
Trotzdem sei die Umstellung von Vollzeit auf Teilzeit ein großer Einschnitt gewesen. Reeh hat nach ihrem Berufseinstieg einige Jahre bei einem Konzern in der Auftragsabwicklung gearbeitet, bei Dokuworks ist sie durch Positionen im Marketing und als Vertriebsassistentin in die Führungsrolle hineingewachsen.
Führen in Teilzeit ist ein wenig verbreitetes Modell in Deutschland - trotz des Rechtsanspruchs auf Teilzeit, den es seit mehr als zehn Jahren gibt. Während fast 40 Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit beschäftigt sind, haben weniger als fünf Prozent der Chefs einen Vertrag mit einer Arbeitszeit unter 30 Stunden pro Woche. Das gilt für weibliche Führungskräfte mit fast 15 Prozent häufiger als für Männer mit etwas mehr als einem Prozent, zeigen Daten des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Deutschland liegt damit im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Spitzenreiter bei den Teilzeit-Chefs sind Island und Malta mit 22 Prozent, Rumänien bildet mit nur einem Prozent das Schlusslicht.
Nach wie vor sind viele Personalverantwortliche skeptisch, dass Führen in Teilzeit funktionieren kann. Forscher der Universität Essen-Duisburg haben Personalverantwortliche von Großunternehmen gefragt, ob es möglich ist, aus einer Teilzeitposition heraus Karriere zu machen. Fast alle Befragten schlossen das aus. Leitungspositionen würden in ihrem Unternehmen ohnehin fast nie als Teilzeitstelle ausgeschrieben. Das war im Jahr 2010, seither hat sich nicht viel geändert.