Führung:Schwierige Gabe

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Hochbegabte scheitern oft an starren Hierarchien. Was Unternehmen tun können, um ihr Potenzial zu nutzen. Gespräch mit Hochbegabten-Coach Inge Bell.

Interview von Ina Reinsch

Nicht alle Hochbegabten können ihre Talente im Berufsleben entfalten. Oft scheitern sie an Hierarchien oder ungeschriebenen Verhaltensregeln. Inge Bell berät als systemischer Coach Hochbegabte und erklärt, wie es im Job besser laufen könnte.

SZ: Gibt es Berufe oder Tätigkeitsfelder, die sich für Hochbegabte besser eignen als andere?

Inge Bell: Gut sind sie dort aufgehoben, wo eigene Ideen und ungewöhnliche Lösungswege geduldet, im besten Fall sogar erwünscht sind. Dort, wo Hinterfragen erlaubt ist, wo die kreative Entwicklung von Gedanken geschätzt wird, blühen Hochbegabte auf. Das kann etwa in der Kunst sein, in den Medien, in Forschung und Entwicklung. Auch in IT-Firmen und kleineren Unternehmen können sich solche Bedingungen finden. Ungeeignet sind dagegen strenge Hierarchien, starre Verwaltungsstrukturen oder Tätigkeiten, bei denen absoluter Gehorsam gefordert wird. Es ist ein Wesenszug von Hochbegabten, gegen gesetzte Autoritäten zu rebellieren, sie werden hier zwangsläufig anecken.

Was können Firmen tun, um das Potenzial Hochbegabter nicht zu verschenken?

Dasselbe, was sie mit anderen Mitarbeitern auch tun müssten, und zwar unabhängig von einer Hochbegabung: den Menschen als Individuum sehen und nicht als Aufgabenerfüller. Nötig wären aber auch mehr Wissen und Sensibilität. Unbequeme oder querschießende Fragen eines Mitarbeiters können vom Vorgesetzten ja auch als konstruktiv oder bereichernd wahrgenommen werden. Führungskräfte sollten generell stärker auf die blicken, die stören und anecken. Hier verbirgt sich viel Potenzial, das sich entfalten kann - im besten Sinne für die Firma.

Was können Hochbegabte selbst tun, um besser im Job klarzukommen?

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt. "Ich bin anders und ich ecke manchmal an" - diese Einsicht ist wichtig, darf aber nicht in Selbstbeschuldigung münden. Hochbegabung begründet keine Schuld, sie ist eine Gabe. Das zu erkennen, ist für viele eine Erleichterung. In Situationen, in denen der Hochbegabte aus Langeweile abschaltet, etwa in einem Meeting, kann es hilfreich sein, zwischen sich als Person und der professionellen Rolle zu unterscheiden. Hochbegabte können innerlich in einen guten Fluchtpunkt gehen, nach außen aber ihre berufliche Rolle wahrnehmen. Wer aneckt, kann sich auch mal entschuldigen. Andere mit ihrem schnellen Denken nicht zu überfordern, ist für Hochbegabte eine Übung in Demut. Hier kann es helfen, einfach einen Schritt zurückzutreten und noch einmal langsam zu erklären.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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