Süddeutsche Zeitung

Freundlichkeit im Job:Keine Chance für Dauergrinser

Ein Lächeln kann Türen öffnen - oder sie ganz schnell zuknallen lassen. Denn manchmal schadet Freundlichkeit im Beruf mehr als sie nützt. Wer sie zur Masche verkommen lässt, nervt.

"Freundlichkeit siegt" lautet eine Lebensweisheit, die eigentlich immer und überall zitiert werden kann. Aber stimmt sie überhaupt? Im Berufsleben hilft Freundlichkeit oft weiter - aber bei weitem nicht immer. Manchmal ist es nützlicher Zähne zu zeigen oder auch nur sauer zu sein. Experten raten zum dosierten Einsatz von Lächeln und netten Gesten. Dabei geht es nicht darum, sich berechnend zu verhalten, sondern intelligent.

Prinzipiell ist Freundlichkeit natürlich hilfreich, im Umgang mit Kunden ebenso wie in heiklen Konfliktsituationen: "Ich werde auch lieber freundlich behandelt als zur Schnecke gemacht", sagt Christine Öttl, die als Coach in München arbeitet. "Aber sie muss der Situation angemessen sein. Freundlichkeit um jeden Preis ist verkehrt." Und der Versuch, freundlich rüberzukommen, kann sogar nach hinten losgehen: "Es darf keine Masche sein. Wenn Freundlichkeit aufgesetzt wirkt, funktioniert das nicht." Sie könne sogar nerven, wenn ersichtlich wird, dass sie nicht ehrlich ist.

Schmaler Grat zwischen Freundlichkeit und Unterwürfigkeit

In Bewerbungssituationen sollte Freundlichkeit nicht überdosiert werden. "Das wirkt sonst leicht unterwürfig", warnt Öttl. Und das erscheine wiederum unehrlich. "Dauergrinsen kommt nicht an." Höflich zu sein, ist zwar Pflicht, aber sie darf eben nicht übertrieben daherkommen. "Wenn Freundlichkeit nur aus taktischen Gründen eingesetzt wird und nicht zu meiner Stimmung passt, ist sie nicht wirkungsvoll."

Das sieht Meike Müller genauso: "Wir haben feine Antennen dafür, dass wir widersprüchliche Signale empfangen." Dem anderen etwas vorspielen zu wollen, funktioniere deshalb häufig nicht. "Wenn ich meinen Ärger unterdrücke, gerät mein Lächeln leicht schief", warnt Karrierecoach Müller.

Außerdem passe Freundlichkeit auch nicht immer zum Thema. "Manchmal ist man schließlich zurecht sauer", betont Christine Öttl. Und dann sollte niemand seine schauspielerischen Fähigkeiten überstrapazieren und auf gute Laune machen.

Unfreundlichkeit als Zeichen fehlender Souveränität

Trotzdem sei es grundsätzlich vernünftig, freundlich sein zu wollen. Unfreundlichkeit sei häufig ein Zeichen fehlender Souveränität - und komme auch so an, gibt Meike Müller zu bedenken: "Laut werden ist ein Zeichen für schwaches Selbstbewusstsein." Gerade wer in der Lage ist, Provokationen zu überhören, zeige damit Stärke.

Das Ziel lautet deshalb, nicht einfach freundlich, sondern glaubhaft freundlich zu wirken: "Das ist oft auch eine Frage der Stimme und der Körpersprache", erläutert Müller. "Die nonverbale Ebene entscheidet mehr über gelungene Kommunikation als das, was wir sagen."

Entscheidend: die Körperhaltung

Das sieht auch Caroline Krüll so: Ob jemand freundlich wirkt oder abweisend, hänge nicht unwesentlich von den Signalen ab, die er zum Beispiel durch seine Körperhaltung aussendet: "Wenn man das Kinn nach oben zieht, signalisiert das Kampfbereitschaft. Wenn man das nicht tut, wirkt das weniger aggressiv." Ähnliches gilt, wenn der Kopf leicht geneigt wird: "Man wirkt dann freundlicher", erklärt Krüll, Selbstmarketing-Expertin und Trainerin aus Berlin.

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