Freunde als Headhunter:Gute Leute kennen gute Leute

Gute Freunde sind unbezahlbar - aber manchmal kann man mit ihnen Geld verdienen. "Recruit a Friend" heißen solche Programme, bei denen Mitarbeiter neue Kollegen werben. Das kann sich für beide Seiten lohnen.

Maike Brzoska

Als Valentino Pola seinen langjährigen Freund für sein Unternehmen rekrutierte, saßen sie gerade gemütlich zusammen im Restaurant. Pola arbeitete erst seit ein paar Monaten für die Coinor AG. Der Job bei dem IT-Beratungsunternehmen gefiel ihm. Das erzählte er auch seinem Freund beim gemeinsamen Abendessen. Und er berichtete, dass Coinor noch weitere Mitarbeiter suche.

Sein Kumpel arbeitete zu der Zeit zwar für ein anderes Unternehmen, aber er wirkte oft unzufrieden in seinem Job. Den Arbeitgeber zu wechseln, kam für ihn also durchaus infrage. Die beiden waren sich bald einig: Auf Polas Empfehlung hin bewarb sich der Freund ebenfalls als Berater bei der Coinor AG und wurde eingestellt. Valentino Pola bekam dafür eine Prämie von 3000 Euro.

People work at computers in the lounge area of Chaos Communication Congress (25C3) in Berlin

Besonders im IT-Bereich sind gute Leute rar: Daher funktioniert das Recruiting von Freunden besonders gut.

(Foto: REUTERS)

Gute Freunde sind unbezahlbar, aber manchmal gibt es eben Geld für gute Freunde. "Recruit a Friend" werden solche Programme oft genannt. Mitarbeiter werben neue Kollegen an und bekommen dafür Geld oder Prämien wie iPods oder Gutscheine. Die Idee dahinter: Gute Leute kennen andere gute Leute. Statt Stellenausschreibungen, Headhunter oder Bewerbermessen wird das Netzwerk der eigenen Mitarbeiter angezapft. Vor allem in der IT-Branche, wo schon heute viele Positionen schwierig zu besetzen sind, werden Anwerbe-Programme immer beliebter. Pola und sein Freund beispielsweise haben beide Wirtschaftsinformatik studiert. Solche Leute sind gefragt.

Die Coinor AG hat gute Erfahrungen damit gemacht. Das IT-Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe hat vor fünf Jahren mit neun Personen angefangen, heute sind es 85. Ein guter Teil der Belegschaft wurde von den Mitarbeitern selbst angeworben. Von den 2012 neu eingestellten Personen sind 13 Prozent auf diese Weise rekrutiert worden. "Als mittelständisches Unternehmen ist es oft schwierig, gutes Personal zu finden", sagt Christine Naber, Sprecherin von Coinor.

Viele schielten nach den großen Häusern. Kleinere Firmen seien weniger präsent und bekämen entsprechend weniger Bewerbungen. Außerdem erhalte ihr Unternehmen so Kontakt zu Personen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber bei einem entsprechenden Angebot trotzdem überlegen zu wechseln, sagt Naber. Passiv Suchende werden diese Leute genannt.

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Nicht nur die Coinor AG nutzt Mitarbeiter-Empfehlungen, sondern auch große Unternehmen setzen darauf. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers hat vor gut einem Jahr das Programm "Mitarbeiter werben Mitarbeiter" aufgelegt. 200 Kollegen konnten so bislang gewonnen werden. Wer einen neuen Kollegen vermittelt, bekommt einen Tablet-PC oder 1500 Euro. Das IT-Unternehmen Hewlett-Packard (HP) gibt an, dass 17 Prozent der Belegschaft über das "Employee Referral Program" ins Haus gekommen sind. Die Prämie für eine erfolgreiche Empfehlung liegt im vierstelligen Bereich, teilt eine Sprecherin mit.

Betrachtet man alle Branchen, rekrutieren Firmen im Schnitt knapp sieben Prozent der Neueinstellungen über Mitarbeiter-Empfehlungen. Das zeigt die jährlich erstellte Studie "Recruiting Trends" der Universitäten Bamberg und Frankfurt. Im IT-Bereich, wo der Fachkräftemangel deutlich zu spüren ist, sind es mit knapp 15 Prozent mehr als doppelt so viele Mitarbeiter, die so rekrutiert werden. Die Mehrheit der Neueinstellungen erfolgt also immer noch über klassische Rekrutierungskanäle wie Anzeigen in Printmedien oder Internet-Stellenbörsen.

Für Geld und gute Worte

Auffallend an der Studie ist aber, dass die Werte für die Zufriedenheit mit den empfohlenen Kandidaten vergleichsweise hoch sind. Für Sven Laumer, Co-Autor der Studie, liegt ein Grund dafür darin, dass die Mitarbeiter als Filter fungieren. "Wenn ich in dem Unternehmen arbeite, weiß ich, wer zum Haus passt und kann gezielt Freunde oder Bekannte ansprechen", sagt er. In der Regel durchlaufen die empfohlenen Personen dann noch den üblichen Auswahlprozess mit Vorstellungsgesprächen oder anderen Tests.

Die Prämie für die Vermittlung zahlen einige Unternehmen, nachdem der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, andere erst nach überstandener Probezeit. In einigen Firmen gibt es für alle empfohlenen Mitarbeiter denselben Geldbetrag, andere differenzieren nach Position oder Qualifikation.

Dominik Faber, Geschäftsführer von Softgarden, einem Anbieter für E-Recruiting-Software, glaubt, dass Unternehmen Anwerbe-Programme auch deshalb gerne nutzen, weil sie Mitarbeiter zu Botschaftern des Hauses machen. "Wenn ein Mitarbeiter Kandidaten für sein Unternehmen anwirbt, hat das einen anderen Stellenwert als eine Anzeige." Mitarbeiter seien authentisch, könnten Fragen direkt beantworten und aus dem Unternehmensalltag berichten.

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Voraussetzung für diese Rekrutierungsstrategie ist natürlich, dass der Mitarbeiter gerne für seine Firma tätig ist und das auch so darstellt. Vielleicht nicht der schlechteste Anreiz für Unternehmen, die Zufriedenheit der Angestellten ernstzunehmen.

Faber findet es zudem nicht sinnvoll, Vermittlungsprämien zu hoch anzusetzen. "Wenn der finanzielle Anreiz zu groß ist, empfehlen Mitarbeiter irgendwen in der Hoffnung, das Geld zu kassieren", sagt er. Seiner Erfahrung nach beginnen die Prämien bei 200 Euro und gehen hoch bis in den niedrigen vierstelligen Bereich. Manchmal sind Belohnungen aber auch ideeller Natur. Einer seiner Kunden hat ein internes Ranking, bei dem für alle sichtbar ist, wer wie viele Mitarbeiter ins Unternehmen geholt hat. Auf der jährlichen Betriebsfeier gibt es dann eine Krone für den "Anwerbe-König".

Seit einiger Zeit versuchen Unternehmen außerdem, soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder LinkedIn in die Suche einzubeziehen. Softgarden etwa bietet Jobs-for-friends.com an, eine Plattform, über die Mitarbeiter die Ausschreibung ihres Unternehmens auch in sozialen Netzwerken verbreiten und teilen können. Damit bekommen die Anwerbe-Programme sozusagen eine neue technische Infrastruktur. Ähnliche Websites oder Apps bieten das amerikanische Startup BranchOut oder die in Österreich ansässige Beratung "Menschen im Vertrieb" an.

Valentino Pola setzt aber vorerst weiter darauf, in geselliger Runde die Jobangebote seines Arbeitgebers zu verbreiten. Ein, zwei wechselwillige Kandidaten, die gut zu Coinor passen würden, hat er bereits im Auge. Mit denen will er bald mal essen gehen.

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