Engagierte Jugendliche:Freiwilligendienst mit Adler

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Familienministerin Franziska Giffey spricht mit Freiwilligen über das Konzept zum neuen Jugendfreiwilligenjahr. (Foto: dpa)
  • Familienministerin Franziska Giffey will die Jugendfreiwilligendienste attraktiver machen.
  • Sie plant unter anderem mehr Plätze, bessere Förderung auch für das Freiwillige Ökologische Jahr und einen Fahrkartenzuschuss, sagte sie bei der Vorstellung ihres Konzeptes für das künftige "Jugendfreiwilligenjahr".
  • Von einer Verpflichtung zu einem solchen Dienst, wie sie Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorsieht, hält Giffey nichts.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Kinder durch den Zoo führen, Wanderwege in Stand halten, im Sportverein mitarbeiten, Seevögel beobachten und zählen, in der Suppenküche helfen oder im Schulhort bei der Nachmittagsbetreuung - Zehntausende Jugendliche engagieren sich hierzulande jedes Jahr im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahres oder im Bundesfreiwilligendienst; hinzu kommen noch die Freiwilligen, die ihren Dienst im Ausland machen. Geht es nach Bundesjugendministerin Franziska Giffey (SPD), soll es künftig noch attraktiver werden, sich zu engagieren.

Es gehe um bessere Rahmenbedingungen, um mehr Geld und "um schlichte Dinge wie Fahrkarten", sagte Giffey am Montag in Berlin, wo sie ihr Konzept eines "Jugendfreiwilligenjahres" vorstellte. Die Ministerin will zwar die bestehenden Programme beibehalten. Es soll aber ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden, mit festen Standards und einem Bundeszertifikat für alle Absolventen, "mit Adler drauf", wie Giffey es nannte.

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Im Zentrum ihrer Überlegungen steht ein höheres Taschengeld für die Freiwilligen. "Die Jugendlichen sollen wollen dürfen", sagte Giffey und verwies darauf, dass viele es sich heute schlicht nicht leisten könnten, sich ein Jahr lang nur für ein niedriges Taschengeld zu engagieren. Das gehe oft nur, wenn die Eltern sie unterstützten.

Aktuell dürfen die Einsatzstellen ihren Freiwilligen bis zu 391 Euro im Monat zahlen; oft zahlen sie aber weniger. Auch weil der Bund nur bis zu 250 Euro im Monat erstattet - und auch das nur beim Bundesfreiwilligendienst. Geht es nach Giffey, soll der Bund in Zukunft 402 Euro für alle Formen des Freiwilligendienstes übernehmen, plus Sozialversicherungsbeiträge. Zudem sollen die Jugendlichen einen pauschalen Zuschuss von 25 Euro zur Monatskarte für Bus und Bahn bekommen.

Bei denen, die es betrifft, kommen solche Ideen gut an. Niemand mache ein freiwilliges Jahr, um reich zu werden, sagte etwa Laura Rupenow, 23, die selbst ein Freiwilliges Ökologisches Jahr gemacht hat und am Montag zusammen mit anderen Freiwilligen ins Ministerium eingeladen war, um von ihren Erfahrungen zu berichten. "Es geht darum zu reifen, den Horizont zu erweitern, herauszufinden, was man später machen will." Wenn man dann aber aus Kostengründen "bei Mama und Papa" wohnen bleiben müsse, sei das "nicht so optimal". Franz Kloth, der ebenfalls ein ökologisches Jahr gemacht hat, berichtete von einem Freund, dem der Bundesfreiwilligendienst zwar gefallen hätte - der aber stattdessen zur Bundeswehr ging, weil er sich die Alternative nicht leisten konnte.

Insgesamt rechnet das Ministerium mit Kosten von einer Milliarde Euro im Jahr für das neue Konzept, auch weil es davon ausgeht, dass bei besseren Rahmenbedingungen bis zu 120 000 statt wie heute gut 80 000 Jugendliche Interesse haben könnten. Neben der besseren finanziellen Ausstattung will Giffey einen Rechtsanspruch für alle unter 27-Jährigen auf einen Platz in einem der Programme durchsetzen. Allerdings nicht auf den Wunschplatz in der Traum-Einsatzstelle. Das sei unrealistisch, sagte die Ministerin. Derzeit könne die Nachfrage der Jugendlichen insgesamt "ganz gut" bedient werden. Für bestimmte Stellen aber gebe es Wartelisten. "Die Robbenauffangstation ist sehr beliebt."

Der Name "Jugendfreiwilligenjahr" kommt dabei nicht von ungefähr. Giffey setzt auch für die Zukunft auf Freiwilligkeit, nicht auf Pflicht. In der Union dagegen gibt es seit geraumer Zeit Stimmen, die nach dem Ende der Wehrpflicht eine neue Dienstpflicht fordern. Den Anfang machte im Sommer CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die an diesem Wochenende zur Parteivorsitzenden gewählt werden will. Auch die Junge Union schlug ein "verpflichtendes Gesellschaftsjahr" vor.

Von einer Verpflichtung hält Giffey nichts

Giffey dagegen hält nichts von solchen Ideen. "Das können Sie als Gegenentwurf zum Pflichtjahr betrachten", sagte sie am Montag über ihr Konzept. "Wir wollen ein Model, das davon lebt, dass Menschen etwas aus Überzeugung tun." Sie wies zudem darauf hin, dass ein Pflichtjahr nach Berechnungen ihres Hauses fünf bis zwölf Milliarden Euro im Jahr kosten würde, schon alleine wegen des dann viel größeren Teilnehmerkreises von rund 800 000 Schulabgängern im Jahr. Hinzu komme, dass es bei einem Pflichtjahr um Arbeitsverhältnisse gehen müsste - und nicht mehr um soziales Engagement. Entsprechend höher müsste Giffey zufolge die Entlohnung sein.

Tammo Kratzin, einer der Freiwilligen, ist ebenfalls skeptisch, was ein Pflichtjahr angeht: "Ich kann niemanden zu Engagement zwingen." Pflichtstellen zu schaffen, koste zudem viel Geld, "aber es bringt den Einsatzstellen nichts, wenn da welche sitzen, die keine Lust haben".

Mit ihrem eigenen Konzept steht Giffey noch ganz am Anfang. Sie will nun Jugendforen veranstalten, mit Trägern, Jugendverbänden und Einsatzstellen sprechen - und mit der Union. Bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sie nach eigenem Bekunden schon vorgefühlt und sei "auf grundlegendes Verständnis" gestoßen. Was das in Euro bedeuten könnte, ist allerdings noch lange nicht ausgemacht.

Nächstes Jahr werden die Freiwilligendienste auch ohne Komplettreform finanziell schon etwas besser ausgestattet. Der Bundeshaushalt sieht 327 Millionen Euro vor, 65 Millionen Euro mehr als aktuell. Von dem Plus sollen rund 6000 zusätzliche Plätze finanziert werden und eine bessere pädagogische Betreuung der Freiwilligen. Zudem wird der Bundesfreiwilligendienst für Flüchtlinge in den regulären Dienst überführt. "Integration durch Normalität", nennt es Giffey. Ebenfalls in Arbeit ist bereits eine Gesetzesänderung, um Jugendlichen mit Behinderung besser als bisher ein Freiwilligenjahr zu ermöglichen.

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