Frauenquote in der EU:Letzte Frist für den Chef

Deutschland hat sich bereits dagegen entschieden, die EU wollte sie trotzdem einführen. Jetzt verzichtet auch Europa vorläufig auf die Frauenquote in Unternehmen.

Cerstin Gammelin

Europas Unternehmen bekommen eine letzte Frist, ohne gesetzlichen Zwang deutlich mehr Frauen als bisher in ihre Chefetagen zu berufen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier forderte Vorstände und Aufsichtsräte am Dienstag in Brüssel auf, bis Ende Juli entsprechende Vorschläge zur künftigen Führung von Unternehmen vorzulegen. Barnier selbst schlägt vor, die Führungspositionen großer europäischer Unternehmen mit Personen aus verschiedenen Nationen, geeigneten beruflichen Fähigkeiten sowie gleichmäßig gemischt mit Männern und Frauen zu besetzen.

Weiblichere Chefetagen erhöhten die "kollektive Intelligenz", schreibt der Franzose. Zudem sei es an der Zeit, den einseitig männlichen Führungsstil mit weiblichen Eigenschaften zu modifizieren. Auch das sei eine Lehre, die Europa aus der Finanz- und Bankenkrise ziehe. "In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage müssen wir mehr denn je sicherstellen, dass Unternehmen gut geführt werden", sagte Barnier. Derzeit liege die Quote der Frauen in führenden Positionen europaweit lediglich bei zwölf Prozent. Ohne gesetzliche Vorschriften werde es vermutlich 50 Jahre dauern, bis sich daran etwas ändere. Es sei daher notwendig, "eine Quote einzuführen, um für gleiche Anteile der Geschlechter zu sorgen". Entsprechende Vorschläge will Barnier im Herbst vorlegen, und zwar abhängig von den zuvor stattfindenden Konsultationen mit den Unternehmen.

Unterstützt wird der Binnenmarktkommissar von seiner für Justiz zuständigen Kollegin Viviane Reding. Die Luxemburgerin hält eine Mindestquote von 30 Prozent für nötig und kündigte bereits an, diese notfalls gesetzlich durchsetzen zu wollen. Damit liegt Reding auf einer Linie mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, die ebenfalls eine Frauenquote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten fordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt dies bisher ab.

Neben der Frauenquote plant Barnier weitere Eingriffe. Er will die Zahl von Aufsichtsratsmandaten begrenzen, die ein Kontrolleur ausüben darf, sowie die Gehaltspolitik der Unternehmen öffentlich machen. Damit will er verhindern, dass weiterhin hohe Boni für kurzfristige Geschäftserfolge gezahlt werden, langfristig jedoch ruinös gewirtschaftet wird.

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