Frauenquote in Unternehmen:Die Mischung macht's

Die Debatte um Frauen in Führungspositionen ist in vollem Gang - deutsche Ministerinnen streiten darüber, EU-Kommissarin Reding will sie Unternehmen auferlegen. Dabei ist eigentlich alles klar: Unternehmen mit einer Chefin sind erfolgreicher, sagt Unternehmensberaterin Bettina Orlopp. Und: Deutsche Firmen werden langsam familienfreundlicher.

Verena Wolff

Die Debatte um eine Frauenquote für Führungspositionen in Unternehmen wird derzeit heiß diskutiert. EU-Kommissarin Viviane Reding will Firmen eine Quote auferlegen, wenn die Betriebe nicht schneller mehr Frauen in die Vorstandsetagen bringen.

Die Unternehmensberatung McKinsey kommt in der fünften Ausgabe der Studie "Women Matter" zu einem interessanten Ergebnis: Deutsche Unternehmen reden nicht nur über die Erhöhung des Frauenanteils, sie handeln auch. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen investieren weitreichend in die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie die Autorin der Studie, Bettina Orlopp, sagt. Damit liege Deutschland über dem europäischen Durchschnitt - allerdings muss das zarte Pflänzchen noch kräftig wachsen.

Süddeutsche.de: Frau Orlopp, Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen sind erfolgreicher. Das konnten Sie in einer Studie nachweisen. Ist der größere Erfolg ein monetärer - oder zeigt er sich noch anders?

Bettina Orlopp: Die Kultur des Unternehmens ist oft eine andere, wenn Frauen in Vorstandspositionen sind. Es gibt Themen, die stärker von Frauen vorangetrieben werden. Dazu gehört die Zufriedenheit der Mitarbeiter und der Umgang mit ihnen. In Sachen Empathie und Einfühlungsvermögen verhalten sich Frauen anders.

Süddeutsche.de: Wie unterscheidet sich der weibliche Führungsstil von dem der Männer?

Orlopp: Wir haben herausgefunden, dass Frauen mehr Wert darauf legen, ihr Umfeld zu inspirieren und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Sie sind besser in der Mitarbeiterentwicklung und im Erwartungsmanagement. Allgemein gilt: Gemischte Teams funktionieren immer besser - sowohl geschlechtlich gemischte Teams als auch altersgemischte, internationale und disziplinübergreifende Arbeitsgruppen.

Süddeutsche.de: Warum ist es denn noch immer so schwierig, Frauen an Unternehmensspitzen zu finden?

Orlopp: Das Bild der Pyramide passt hier sehr gut: Wenn die Basis bei einem Unternehmen bei etwa 30 Prozent Frauen liegt, dünnt es sich Richtung Führungsetagen sehr schnell aus. In der zweiten Führungsebene gibt es nur noch einen Frauenanteil von neun Prozent. Da fällt es schwer, Frauen in die Vorstände zu befördern. Erst, wenn es uns gelingt, Frauen stärker von unten nach oben zu entwickeln, haben wir dieses Problem in Zukunft nicht mehr. Wichtig ist der "Fair Share"-Gedanke - Frauen sollten entsprechend ihrer Eignung und ihrer Kenntnisse in den Beförderungsrunden berücksichtigt werden. Wenn wir Frauen in die nächsten Ebenen bringen können, dann ist schon viel gewonnen.

Süddeutsche.de: Wie bekommt man mehr Frauen in die oberen Etagen?

Orlopp: Entscheidend ist die Unterstützung des Managements. Zwar engagieren sich mehr als 80 Prozent der Vorstandsvorsitzenden nach eigenen Angaben für die Erhöhung des Frauenanteils. Auf den Managementebenen darunter sieht es jedoch noch anders aus: 34 Prozent der zweiten und knapp die Hälfte der dritten Führungsebene haben das Thema noch nicht auf ihrer Agenda. Die besten Unternehmen setzen dem Management zum Beispiel klare Zielvorgaben.

Nach oben dünnt es sich aus

Süddeutsche.de: Absolventinnen steigen in Unternehmen ein, arbeiten sich einige Jahre hoch - und ziehen sich dann oft komplett aus dem Berufsleben zurück, wenn sie ein Kind bekommen. Woran liegt das?

Orlopp: In der Vergangenheit war es tatsächlich oft so, dass Frauen in ganz vielen Fällen aufgehört haben oder in Teilzeit gegangen sind. Gerade findet allerdings ein Wandel statt: Firmen wollen ihre Mitarbeiterinnen halten und ihnen attraktive Angebote machen. Fast alle großen Unternehmen bieten Müttern inzwischen flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten an, Karriereflexibilität wie den Wechsel von Voll- in Teilzeit sowie Kinderbetreuungsangebote. Trotz dieser Maßnahmen lassen sich die Versäumnisse der Vergangenheit nicht so schnell aufholen. Wichtig ist aber: Die Rückkehrerquote nach dem Mutterschutz ist deutlich gestiegen. Die Vorstände der großen Firmen sind jünger und flexibler. Man setzt sich bewusst hin und denkt über Programme zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach.

Süddeutsche.de: Haben Frauen, die ihre Arbeitszeit wegen der Kinder reduzieren, schlechtere Aufstiegschancen als Männer?

Orlopp: Wenn Frauen ihre Stunden reduzieren und 60 oder 70 Prozent arbeiten, dann geht der Aufstieg nicht ganz so schnell. Aber es gibt auch Führungskräfte mit einer Vier-Tage-Woche.

Süddeutsche.de: Zahlreiche Unternehmen investieren weitreichend in die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wie lange dauert ist, bis konkrete Ergebnisse dieser Bemühungen zu sehen sein werden?

Orlopp: Wir haben Nachholbedarf, denn die meisten Programme wurden erst seit 2010 eingeführt. So bleibt Deutschland mit drei Prozent Frauen in Vorständen zunächst internationales Schlusslicht. Aber der Einsatz beginnt sich auszuzahlen: Im vergangenen Jahr waren 16 Prozent der neu besetzten Dax-Vorstände Frauen. Es ist jedenfalls sehr wichtig, den Druck aufrechtzuerhalten, um einen angemessenen Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erreichen.

Süddeutsche.de: In welchen Unternehmen und Branchen setzen sich Frauen am ehesten bis ganz nach oben durch?

Orlopp: Es gibt tatsächlich Branchen, in denen anteilig mehr Frauen in den Führungsetagen sitzen - die nämlich, bei denen sich schon mehr Berufseinsteigerinnen bewerben. Dazu gehörten die Konsumgüterindustrie sowie die Transport- und Logistikbranche. Besonders bei den Konsumgütern fangen viele Frauen an und arbeiten sich hoch, dort gibt es auch einige weibliche Vorstände. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele - etwa die Schwerindustrie oder Unternehmen, die sehr techniklastig sind. Hier wird man nur sehr vereinzelt Frauen in Führungspositionen finden, weil insgesamt der Frauenanteil in diesen Betrieben sehr gering ist.

Süddeutsche.de: Brauchen wir tatsächlich ein spezielles Frauen-Recruiting in Unternehmen?

Orlopp: Die Unternehmen in Deutschland halten sich damit zurück. Firmen mit technischem Schwerpunkt müssen sich allerdings sehr strecken, um Absolventinnen aus den Ingenieurwissenschaften zu bekommen. Generell ist es aber kein Problem, die Absolventinnen von den Hochschulen zu bekommen - das Thema ist, sie im Unternehmen zu entwickeln und zu halten.

Süddeutsche.de: Der Anteil von Absolventinnen in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ist sehr gering - können die Anstrengungen der Firmen, Kinder und Karriere besser zu vereinen, ein Anreiz für Abiturientinnen sein, sich stärker für diese Fächer zu interessieren?

Orlopp: Das glaube ich nicht - denn nur die wenigsten beschäftigen sich zu Studienbeginn schon mit dem Thema Kinderkriegen.

Süddeutsche.de: Wie kann man mehr Frauen in Führungspositionen bringen - ist eine Quote tatsächlich ein gangbarer und realistischer Weg?

Orlopp: Entscheidend ist, dass man fair bewertet. Derjenige soll aufsteigen, der für den Job am besten geeignet ist - unabhängig vom Geschlecht. Wichtig ist vor allem, dass in den mittleren Management-Ebenen noch Frauen zu finden sind. Darum müssen sich die Unternehmen stärker bemühen. Unsere Studie zeigt auch: Arbeitgeber sind nicht bereit, eine Frau nur deswegen zu befördern, weil sie eine Frau ist. Die Qualität zählt. Gibt es eine Frau und einen Mann mit gleicher Qualifikation, entscheiden sich aber derzeit die meisten für die Frau. Eine grundsätzliche Quote, unabhängig von der Qualifikation, macht nicht viel Sinn - und ist nicht gut für die Kultur im Unternehmen.

Bettina Orlopp ist Partnerin bei McKinsey & Company. Sie berät seit 1995 Unternehmen zu wichtigen Aspekten der Strategie und Organisation und leitet die Women & Family Initiative für McKinsey Deutschland. Sie hat an der Universität Regensburg Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Finanzen studiert und dort promoviert.

Lesen Sie ab kommender Woche an dieser Stelle Interviews mit Frauen, die es in verschiedenen Arbeits- und Lebensbereichen ganz nach oben geschafft haben.

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