Deutsche Führungsetagen sind immer noch zu homogen.
(Foto: dapd)Viele Jahre war ich eine strikte Gegnerin der Frauenquote. Ich glaubte daran, dass Frauen, die gut ausgebildet und fleißig sind, genauso Karriere machen könnten wie Männer; ich fand die ewigen Beschwerden meiner Geschlechtsgenossinnen über ihre strukturelle Benachteiligung ziemlich blöd. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine qualifizierte und selbstbewusste Frau auf dem Quotenticket nach oben kommen wollte - schließlich will man seinen Aufstieg doch aus eigener Kraft schaffen.
Ich selbst hatte auch nie das Gefühl, benachteiligt zu sein. Als freiberufliche Medienschaffende bewegte ich mich in einer Sphäre, in der Erfolg oder Misserfolg anscheinend von anderen Faktoren abhingen als vom Geschlecht. Lange fiel mir nicht einmal auf, dass ich auf Redaktionsebene oft mit Frauen zu tun hatte, die Redaktionsleiter, Abteilungsleiter, Chefredakteure, Programmdirektoren und Intendanten aber allesamt Männer waren (immerhin: Inzwischen gibt es bei der ARD drei Intendantinnen).
Als Anfang des Jahres von 300 Journalistinnen die Initiative Pro Quote gegründet wurde, begriff ich zum ersten Mal, wie eklatant das Missverhältnis von Männern und Frauen in leitenden Positionen des Medienbereichs tatsächlich ist. Bei den deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind zwar die Hälfte der Leser weiblich - aber nur zwei Prozent der Chefredakteure. In den Redaktionen der führenden Magazine und Zeitungen stehen fast ausschließlich Männer an der Spitze, selbst bei überraschend vielen Frauenzeitschriften.
In der Wirtschaft insgesamt sieht es nicht viel besser aus. Neueste Zahlen besagen zwar, dass in den vergangenen zwölf Monaten fast 41 Prozent aller neu zu besetzenden Posten in deutschen Vorständen und Aufsichtsräten an Frauen gingen - dennoch waren damit Mitte dieses Jahres trotzdem nur 12,8 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder weiblich. Ohne die Positionen in den Aufsichtsräten fällt die Quote noch deutlich niedriger aus: Nur in 4,5 Prozent der befragten Unternehmen sitzen Frauen im Vorstand, tragen also operative Verantwortung. Damit liegen wir europaweit ganz hinten.
Die Argumente für und gegen eine Frauenquote sind sattsam bekannt; zwei von ihnen möchte ich aufgreifen: die neuerdings immer häufiger zu hörende Klage, eine Frauenquote führe zur Diskriminierung männlicher Bewerber, und die Behauptung, es gäbe nicht genügend qualifizierte Frauen, um eine Quote zu erfüllen. Das Argument der Männerdiskriminierung ist so lächerlich wie verräterisch; es kommt fast immer von Männern, die um den Verlust ihrer Privilegien oder ihr persönliches Fortkommen fürchten, vorgetragen unter Heulen und Zähneklappern. Alles Quatsch. Es geht nicht um eine Bevorzugung von Frauen, weil sie Frauen sind. Es geht darum, bei gleicher Qualifikation Frauen gleiche Chancen einzuräumen, um eine jahrtausendealte Benachteiligung zu beenden. Selbst bei Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent hätten wir noch immer eine Männerquote von 70 Prozent. Das soll Diskriminierung sein?