Frauen und Männer im Job:Die große Ungleichheit

Bei der Gleichberechtigung liegt noch so vieles im Argen: Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer - aber das ist auch ihr Fehler.

Daniela Kuhr

Nehmen wir an, in diesem Moment kommen zwei Babys zur Welt: ein Junge und ein Mädchen. Und nehmen wir an, sie machen in ihrem Leben alles haargenau gleich. Gehen zur gleichen Schule, studieren das Gleiche, wählen den gleichen Job, sparen auf die gleiche Weise fürs Alter und verdienen bis zur Rente immer genau gleich viel. Und abschließend nehmen wir noch an, dass die Gesetze so bleiben, wie sie derzeit in Kraft sind.

Frauen und Männer im Job: Mädchen entscheiden sich immer noch mehrheitlich für schlecht bezahlte Berufe.

Mädchen entscheiden sich immer noch mehrheitlich für schlecht bezahlte Berufe.

(Foto: Foto: ddp)

Dann stünde vom Augenblick der Geburt an fest: Das Mädchen wird in seinem Leben monatlich mit weniger Geld auskommen müssen als der Junge.

Warum? Weil ihre monatliche Betriebsrente - so wollen es die Regeln der Versicherungsmathematik - oftmals deutlich geringer ausfallen wird als die ihres Kollegen. Sie wird also entweder während ihres Berufslebens mehr sparen müssen, um sich im Alter das gleiche leisten zu können wie er.

Oder aber sie wird sich im Ruhestand mit weniger begnügen müssen. Wohlgemerkt: Wir reden nicht von einem Entwicklungsland. Wir reden von Deutschland - dem Land, in dessen Grundgesetz seit 60 Jahren steht: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt."

Wenn an diesem Sonntag, wie jedes Jahr am 8. März, der Weltfrauentag stattfindet, wird es viele Reden über die Erfolge und Misserfolge in der Gleichstellungspolitik geben. Über das Thema der unterschiedlichen Betriebsrenten wird niemand reden. Und vermutlich ist das sogar verständlich.

Bei der Gleichstellung liegt nämlich noch so vieles im Argen, dass es in den Augen der meisten gar keine Rolle spielt, wenn Frauen im Ruhestand monatlich 200 Euro weniger haben als ihre männlichen Kollegen. Das Problem tritt ja erst dann offen zu Tage, wenn tatsächlich mal eine Frau und ein Mann ihre gesamte Karriere über gleich entlohnt werden. Das aber ist derzeit leider noch ziemlich unwahrscheinlich.

Der Mann als Ernährer

Erst in dieser Woche hat EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla wieder festgestellt, dass Frauen in Europa im Schnitt 17,4 Prozent weniger verdienen als Männer. Hochgerechnet auf die Lebensarbeitszeit entgehen ihnen damit bis zu 160 000 Euro. In Deutschland liegt die Kluft sogar bei 23 Prozent. Doch wer ist dafür verantwortlich?

Da wäre zum einen die Politik, die mit dem gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit und steuerlichen Regeln wie dem Ehegattensplitting zwar etwas Gutes wollte, aber die Entwicklung noch befördert hat. Bei Teilzeitkräften - das sind nun einmal in aller Regel Frauen - unterstellen Arbeitgeber unbewusst, dass sie weniger leistungsfähig oder -willig sind. Teilzeitkräfte werden bei Beförderungen häufig übergangen.

Die große Ungleichheit

Die ungünstige Lohnsteuerklasse V, die bei verheirateten Frauen meist greift, bewirkt zudem so hohe Abzüge, dass von ihrem Verdienst wenig übrigbleibt. In den Köpfen vieler Politiker und vieler Vorgesetzter steckt eben immer noch das Bild vom Mann, der Beruf und Karriere braucht, um die Familie zu ernähren. Frauen dagegen arbeiten nur, "um etwas dazu zu verdienen". Der Job ist eher so etwas wie ein Hobby.

Verantwortlich sind natürlich auch die Arbeitgeber, die in tradierten Denkmustern verharren. Wenn sie jemanden einstellen oder befördern, ist das für sie jedes Mal ein Risiko. Was ist, wenn der Betroffene die Erwartungen nicht erfüllt? Um das Risiko zu minimieren, orientieren sie sich daher unbewusst an den Mitarbeitern im Unternehmen, die auf den Führungspositionen sitzen. Und das sind nun einmal in aller Regel Männer.

Nicht einfach alles hinnehmenDie größte Verantwortung aber tragen Frauen selbst. Das fängt schon mit der Berufswahl an. Mädchen entscheiden sich immer noch mehrheitlich für schlecht bezahlte Berufe. Das ist kein Vorwurf, nur eine Tatsache. Vielleicht hoffen sie auf einen gutverdienenden Mann. Oder vielleicht legen sie keinen Wert auf Geld. Vielleicht ist es ihnen wichtiger, einen Beruf zu wählen, der sie glücklich macht. Und ganz vielleicht ist das ja sogar eine gute Einstellung.

Einen anderen Vorwurf aber kann man Frauen sehr wohl machen: Sie nehmen die Dinge häufig als gegeben hin, statt sie in Frage zu stellen. Warum werden eigentlich die von ihnen begehrten Berufe so schlecht bezahlt? Mit geringer Qualifikation oder Verantwortung lässt sich das jedenfalls nicht rechtfertigen. Oder welchen Grund gibt es, dass eine Krippenerzieherin weniger verdient als ein Tierpfleger? Oder eine Friseurin weniger als ein Monteur? Wieso mucken die Gewerkschaften nicht viel häufiger auf? Sitzen da keine Frauen drin?

Viele Frauen lassen sich viel zu viel gefallen - das ist der Fehler, den sie begehen. Auch bei den Betriebsrenten. Statistisch leben Frauen länger. Deshalb fällt ihre monatliche Betriebsrente geringer aus. "Weil sie ja länger gezahlt werden muss", sagen die Versicherer - die Frauen nehmen das hin. Doch wer sagt überhaupt, dass berufstätige Frauen (und nur um die geht es bei Betriebsrenten) tatsächlich länger leben als Männer?

Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer und Frauen bei gleicher Lebensführung auch eine gleiche Lebenserwartung haben. Doch Frauen akzeptieren klaglos, dass sich ihre Kollegen im Ruhestand jedes Jahr eine Urlaubsreise mehr werden leisten können als sie. Weder Gewerkschafterinnen noch Politikerinnen haben daran etwas auszusetzen.

Vor 15 Jahren wurde Artikel drei des Grundgesetzes ergänzt. Seither steht dort: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Die ein oder andere sollte sich das nochmal in Ruhe durchlesen.

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