Frauen und Karriere:"Ich glaube, es ist besser, Glück zu haben als klug zu sein"

Frauen und Karriere: Roselyne Renel, 49, lebt mit ihrem Ehemann in London. Sie hat drei Söhne. In ihrer Freizeit legt die Top-Bankerin, die nicht mehr als fünf Stunden Schlaf braucht, auch als DJ in einem Londoner Club Housemusik auf.

Roselyne Renel, 49, lebt mit ihrem Ehemann in London. Sie hat drei Söhne. In ihrer Freizeit legt die Top-Bankerin, die nicht mehr als fünf Stunden Schlaf braucht, auch als DJ in einem Londoner Club Housemusik auf.

(Foto: privat)

Roselyne Renel bekam mit 16 ein Baby, ging allein nach London - und ist jetzt Risikomanagement-Chefin einer großen Bank. Ein Gespräch über Familie, Willensstärke und Frauen in der Finanzwelt.

Interview von Katharina Wetzel

Roselyne Renel ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Sie ist bei der Bank Standard Chartered für das weltweite Risikomanagement zuständig, zudem Mitglied im Aufsichtsrat der Eurex Clearing, einer Tochter der Deutschen Börse in Frankfurt. Doch der Weg in die Top-Etage war alles andere als vorgezeichnet.

SZ: Wie sind Sie denn aufgewachsen?

Roselyne Renel: Ich wuchs in Mauritius in einem privilegierten Umfeld auf. Mein Vater war Verwalter einer Zuckerplantage. Ich komme aus einer ziemlich konservativen, katholischen Familie und ging seit meinem fünften Lebensjahr auf eine Klosterschule. Die Bombe platzte dann, als ich 16 war. Ich hatte die High School noch nicht abgeschlossen und wurde schwanger. Ein großer Skandal.

Was war so problematisch?

Meine Familie machte mir Druck, den biologischen Vater des Kindes zu heiraten, aber das war nicht in meinem Sinn. Mir war klar, dass ich mein Baby möchte. Doch ich brauchte dafür niemanden zu heiraten, was den nächsten Skandal auslöste.

Sie sind dann mit Ihrem Sohn alleine nach London. Warum haben Sie Mauritius verlassen?

Mauritius ist ein wunderschönes Land, aber ich fühlte, dass ich es verlassen muss, um meinem Kind und mir eine gute Zukunft zu geben. Als alleinerziehende Mutter wäre es dort sehr schwierig geworden.

Warum gerade London?

Ich traf eine Mauritierin, die in London lebte und über Weihnachten zu Besuch war. Sie fragte mich: "Warum kommst Du nicht nach London? Du kannst dort ein neues Leben aufbauen. In London hast Du und hat Dein Kind größere Chancen." Es war einfach nur Glück. Ich glaube, es ist besser, Glück zu haben im Leben als klug zu sein.

Und dann?

Sie sagte, dass sie mir helfen und das Geld leihen würde, um nach London zu kommen. Sie hat das nie gesagt, aber ich denke, der Grund, warum sie mir half, war dass sie 25 Jahre zuvor, ebenfalls als alleinerziehende Mutter von Mauritius nach London gekommen war. Sie hat selbst sehr viel Leid erfahren.

Mit wie viel Geld in der Tasche sind Sie dann in London gestartet?

Sie lieh mir 3000 Pfund, so dass ich die Flugtickets für meinen Sohn und mich bezahlen konnte und mir eine Unterkunft in London leisten konnte. Sie stellte mich auch ihrer Schwester vor, die mir ein Zimmer in ihrem Haus vermietete.

Was hat denn Ihre Mutter gesagt?

Meine Mutter dachte, ich sei verrückt geworden. Sie machte sich Sorgen, weil ich niemanden in London kannte. Doch ich sagte ihr, dass ich fest entschlossen bin, worauf sie mir anbot, mein Kind bei ihr zu lassen, bis ich in London Fuß gefasst habe. Aber das kam für mich überhaupt nicht in Frage. Ich könnte nie von einem meiner Kinder getrennt sein.

Wie haben Sie dann Arbeit gefunden und alles hinbekommen?

Ich arbeitete zuerst in einer Textilfabrik in London. Die Frau, die mir das Geld lieh, arbeitete von zu Hause aus und half mir, auf meinen Sohn aufzupassen. Das war 1986, als die Londoner Finanzcity boomte. In England sprach man überall über die Yuppie Boys, diese jungen Leute, die direkt nach dem College in hoch bezahlte Jobs einstiegen. Ich dachte, ich muss schauen, wie ich da reinkomme.

Ich war schon immer eine willensstarke Persönlichkeit

War Margaret Thatcher ein Vorbild?

Als ich nach London kam und Margaret Thatcher reden hörte, dachte ich nur "Wow". Da war diese Frau und sagte: Was auch immer du willst, du kannst es erreichen. Du musst nur an Dich glauben und hart dafür arbeiten. Wenn Sie mich nach meiner Inspiration fragen - das war sie.

Und wann kamen Sie mit der Finanzindustrie in Berührung?

Da hatte ich wieder Glück. Ich ging zu einer Arbeitsagentur, um zu sehen, was möglich ist. Ich hatte ja nicht einmal einen High-School-Abschluss. Das einzige was ich vorweisen konnte, war ein Zertifikat in Buchhaltung von der London Chamber of Commerce and Industry. Die Frau bei der Arbeitsagentur sagte mir dann, es würde sehr schwierig für mich werden. Sie selbst bräuchte aber jemanden im Büro und sie würde mich weitervermitteln, sobald etwas Passendes hereinkäme. Nach sechs Monaten suchte dann der Chefökonom der Manufacturers Hanover Bank - heute heißt die Bank JP Morgan - eine Assistentin. Ich ging zum Vorstellungsgespräch und bekam den Job.

Sie müssen überzeugend gewesen sein.

Ich sagte ihm, dass ich sehr wissbegierig bin und etwas erreichen möchte - auch für meinen Sohn. Ich war schon immer eine willensstarke Persönlichkeit. Meine Mutter würde vielleicht sagen, dass ich ein dickköpfiges und schwieriges Kind war.

Und wie haben Sie es dann von der Assistentenstelle ausgerechnet ins Risikomanagement geschafft?

Nachdem ich eine gewisse Zeit für den Chefökonom gearbeitet hatte, schlug er mich für das Ausbildungsprogramm Credit Risk Management vor. Dieser Kurs wird heute noch bei JP Morgan angeboten und gilt als eines der besten Ausbildungsprogramme in dem Bereich.

Normalerweise braucht man dafür einen Hochschulabschluss, oder?

Ja, aber er setzte sich für mich ein und überzeugte die Bank davon, mich in das Programm aufzunehmen. Ich habe es erfolgreich abgeschlossen und so begann meine Karriere im Risikomanagement.

Warum haben es Frauen in der Finanzbranche in der Regel schwerer als Männer?

Ich denke, Männer sind viel besser darin, sich zu präsentieren. Sie reden öfters darüber, was sie tun und erreicht haben. Frauen gehen einfach ihrer Arbeit nach.

Sollten Frauen also mehr Marketing in eigener Sache betreiben?

Persönlich halte ich das für nicht so produktiv. Ich glaube eher, dass es fundamental wichtig ist, an sich selbst zu glauben und das Leben positiv anzugehen. Ein Optimist zu sein, ist eine viel bessere Voraussetzung. Wenn sich Chancen ergeben - und uns allen begegnen jeden Tag Chancen - müssen wir sie ergreifen und unser Bestes geben. Wenn ich aber immer denke: Oh mein Gott, das wird ein Desaster, dann wird sich nie etwas ändern. Ich werde nie vergessen, wie ein Familienmitglied einmal zu mir sagte, dass mein Leben jetzt vorbei sei, da ich mit 16 schwanger wurde und die Schule verließ. Kompletter Nonsens.

Ich habe Zeiten, in denen ich deprimiert bin

Aber niemand kann immer stark sein. Was ist Ihr Rezept?

Ich bin auch nicht immer stark und ich habe Zeiten, in denen ich deprimiert bin. Jeder braucht einen Anker im Leben. Mein Anker ist mein Ehemann. Ich traf ihn, als wir beide 23 wurden. Wir sind nun seit 24 Jahren verheiratet. Er gab seinen Job als Trader auf, als wir Zwillinge, zwei Jungs, bekamen und wir keine Nanny fanden. Ich wusste, dass ich wieder arbeiten wollte. Also nahm er für ein Jahr ein Sabbatical. Doch tatsächlich kehrte er dann nicht mehr zu seiner Arbeit zurück und macht seither einen wundervollen Job, indem er die Kinder erzieht.

Sie haben also drei Jungs?

Ja, ich bin die einzige Frau im Haus, ich bin die Queen (lacht). Das ist schön, aber manchmal auch nicht so, wenn die Männerangewohnheiten dann überhand nehmen.

Wie reagieren Sie, wenn männliche Kollegen blöde Witze oder Bemerkungen über Frauen machen?

Vor Jahren war ich einmal die einzige Frau in einem Meeting, als ein Herr hereinkam und uns mit "Einen guten Nachmittag, meine Herren" begrüßte. Ich drehte mich zu dem Herrn um und meinte: Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin kein Herr, ich bin eine Frau. Sagen Sie bitte "Hallo, meine Herren und meine Dame."

Vielleicht hat nicht jeder diesen Mut.

Ja, aber man muss für sich selbst einstehen. Die Finanzbranche ist immer noch eine männerdominierte Industrie. Muss mehr für Frauen getan werden? Natürlich. Doch es geht auch voran. Ich denke, die Lage ist nicht so schlecht wie wir denken. Bei Standard Chartered machen Frauen 40 Prozent im Aufsichtsrat aus und 30 Prozent im Vorstandsteam, dem Executive Committee.

Sie könnten das noch steigern. Wollen Sie Vorstandschefin bei Standard Chartered werden?

Ich würde die Frage anders stellen. Bin ich eine ambitionierte Person? Ja. Obwohl ich das angesichts meines Lebenslaufs nicht mehr beweisen muss, möchte ich mich doch immer verbessern und weiterentwickeln. Seien Sie doch optimistisch!

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