Frauen in der Männerbranche:"Generell bin ich gegen eine Frauenquote"

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Was hat Sie angetrieben, sich weiter hochzuarbeiten?

Ich hatte an mich selbst nie die Erwartung, mal Direktorin oder Geschäftsführerin zu werden. Aber ich fand es immer toll, wenn ich nicht fragen muss, sondern entscheiden kann. Als ich das erste Mal in ein hierarchisches Industrieunternehmen gekommen bin, habe ich gedacht: 'Mensch, wenn ich jetzt Teamleiter wäre, dann könnte ich das entscheiden'. Dann habe ich festgestellt: Als Teamleiter kann man zwar ein bisschen was entscheiden, aber doch nicht so viel. Als Nächstes bin ich dann Abteilungsleiter geworden, da hat man schon ein bisschen mehr Verantwortung. So hat sich das für mich ergeben.

Durch diese Verantwortung stehen Führungskräfte aber auch unter Druck und besonderer Beobachtung.

Ja, als Frau vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil man ein bisschen etwas Einzigartiges ist, leider. Mir ist dieser Leistungsdruck manchmal vielleicht gar nicht so bewusst, weil ich an mich selbst sowieso die Erwartung habe: Das musst du einfach gut machen und du bist eine Führungskraft, also musst du Vorbild sein. Manchmal bin ich aber überrascht, worauf die Leute achten. Neulich wurde mir gesagt, dass es auffallend ist, dass ich meinen Kaffee immer noch in diesen Wegwerfbechern kaufe und dass das nicht sehr vorbildhaft ist. Oder Kleidungsstücke: Bei meinen männlichen Kollegen macht sich kein Mensch Gedanken, wenn sie jeden Tag im Anzug rumlaufen. Bei mir wird geguckt, welche Farbe, welche Bluse und ob die neu, businesslike oder female ist.

Kleiden Sie sich bewusst weiblich?

Ich habe gar kein Kleid und keinen Rock. Hatte ich schon als Kind nicht. Ich bin mit drei Brüdern auf dem Bolzplatz aufgewachsen, da ist man eher einer in der Truppe unter Jungen.

Einer in der Truppe sind Sie schon lange nicht mehr. Haben Sie auch mal Neid und Missgunst erlebt?

Ja, auch heute noch. Ich bin seit einem Jahr Geschäftsführer und hinter meinem Rücken wird bestimmt einiges geredet. Ich habe 20 Jahre in diesem Unternehmen gearbeitet und ein gutes Netzwerk von Leuten, die mir solche Sachen stecken. Da haben Leute gesagt, ich hätte den Job nur bekommen, um eine Frauenquote zu erreichen.

Wie reagieren Sie auf solches Gerede?

Da muss man ein dickes Fell haben. Es gibt Leute, die sich das zu Herzen nehmen, dazu gehöre ich definitiv nicht. Weil ich einfach weiß, was ich kann und dass ich nicht durch irgendwelche Beziehungen in diese Rolle gekommen bin, sondern dass ich für das Unternehmen seit Jahren verdammt noch mal einen guten Job gemacht habe. Ich habe auch unheimlich viel Glück gehabt in meiner Karriere, aber von nüscht kommt nüscht.

Ist die Frauenquote also gar nicht nötig?

Generell bin ich gegen eine Frauenquote. Aber ich glaube, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo wir so etwas brauchen. Frauen trauen sich teilweise nicht genug zu. Ich biete Mitarbeiterinnen an, meinen Arbeitsalltag kennenzulernen und versuche, sie in persönlichen Gesprächen zu ermutigen: Um Führungskraft zu sein, muss man nach meiner Vorstellung zuhören können, auf Leute zugehen können und bereit sein, an sich selbst zu arbeiten. Fachliches Wissen kann man lernen. Da kann man Bücher lesen, da kann man Trainings besuchen, da kann man sich Vorlesungen anhören, da kann man Ratschläge einholen. Frauen haben diesen Mut zur Lücke oftmals nicht.

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