Süddeutsche Zeitung

Frauen in Aufsichtsräten:"Ich hole mir häufig einen Korb"

Lesezeit: 4 min

Warum Frauen oft nicht richtig Karriere machen wollen und was passieren muss, damit in Zukunft mehr von ihnen in den Chefetagen sitzen: Ein Gespräch mit Personalberaterin Brigitte Lammers.

Sarina Märschel

sueddeutsche.de: Frau Lammers, angenommen, ein Unternehmen würde bei Ihnen anklopfen - hätten Sie ein paar potentielle weibliche Aufsichtsräte in petto?

Brigitte Lammers: Ja, natürlich! Da Aufsichtsräte aber in aller Regel aus der ersten Führungsebene rekrutiert werden und Frauen dort bekanntlich eher rar vertreten sind, müssen wir etwas kreativer als sonst vorgehen, um geeignete Bewerberinnen zu identifizieren. Dabei beziehen wir natürlich auch das internationale Umfeld mit ein. Die entscheidende Botschaft für Unternehmen ist jedenfalls: Man findet qualifizierte Frauen, wenn man sie finden will.

sueddeutsche.de: Gibt es denn auch Unternehmen, die diese Frauen suchen?

Lammers: Auf jeden Fall. Viele Unternehmen möchten den Anteil von Frauen in den Aufsichtsgremien ebenso wie im Top-Management erhöhen. Das gilt für Dax-30-Unternehmen und für den Mittelstand.

sueddeutsche.de: Wie kommt das?

Lammers: Die Unternehmen nennen in erster Linie wirtschaftliche Gründe. Vielfältige Untersuchungen belegen, dass die wahrnehmbare Durchmischung der obersten Managementebene mit weiblichen Führungskräften tatsächlich zu einem besseren Unternehmensergebnis führt. Außerdem weiß jeder weitsichtige Unternehmenslenker, dass der "War for Talent" gerade erst einsetzt. Und der "War for Talent" ist eben auch ein "War for Women", weil Frauen etwa die Hälfte der heutigen Hochschulabsolventen repräsentieren.

sueddeutsche.de: Wenn das stimmt: Warum sind weibliche Aufsichtsräte dann immer noch Exoten?

Lammers: In jedem Fall liegt es auch an den Unternehmen selbst. Die Entscheidungsstrukturen sind eher männlich geprägt, die Unternehmenskulturen auch. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn man länger als ein paar Monate für den eigenen Nachwuchs pausiert, gerät man schnell aus dem Tritt, was die ganz große Karriere angeht. Das muss sich ändern. Damit exzellente weibliche Führungskräfte sehen, dass Kinder und Karriere zusammenpassen können.

sueddeutsche.de: Es liegt also doch an den Unternehmen?

Lammers: Nein, das wäre zu pauschal. Die Frauen tragen hier Mitverantwortung. Wer in einen Aufsichtsrat will, muss in aller Regel langjährige operative Erfahrung im Top-Management mitbringen. Das geht nicht, wenn man es nicht will und es nicht versteht, sich durchzusetzen. Viele Frauen machen sich zu Beginn ihrer Karriere keine klare Vorstellung davon, ob und wie sie unter den gegebenen Umständen Beruf und Familie in Einklang bringen wollen. Leider suchen sich Frauen häufig Arbeitgeber aus, wo das ersichtlich noch nicht geht.

sueddeutsche.de: Löst bessere Kinderbetreuung das Problem?

Lammers: Das ist ein wichtiger Punkt, aber nur einer von vielen. Auch wenn Kinderbetreuung gewährleistet ist, bleiben viele Frauen immer noch zu Hause. Es gibt offensichtlich nach wie vor eine dominante gesellschaftliche Erwartungshaltung an Frauen.

sueddeutsche.de: Viele Akademikerinnen sind kinderlos - und trotzdem nicht in Aufsichtsräten vertreten.

Lammers: Aus meiner Erfahrung als Personalberaterin kann ich sagen: Frauen verfolgen ihre Karriere weniger stringent als Männer. Ihnen ist eine gute Balance zwischen privaten Interessen und der beruflichen Situation wichtiger. Sie versuchen, ihre kreativen Eigenschaften einzubringen, sie verschaffen sich Freiräume, um diese mit ihren Talenten zu füllen. Damit besetzen sie in vielen Fällen sehr erfolgreich Nischen. Aus diesen Nischen führt aber nicht unbedingt ein Weg nach ganz oben.

sueddeutsche.de: Könnte man sagen, die Frauen wollen nicht so richtig?

Lammers: Wenn ich mit Frauen über einen karrierefördernden Wechsel spreche, hole ich mir leider weit häufiger einen Korb ab als bei Männern. Ab einem bestimmten Punkt scheinen Frauen mit dem beruflich Erreichten zufrieden zu sein. Sie suchen den nächsten Karriereschritt dann nicht mehr.

sueddeutsche.de: Die Frauen müssten also mehr Gas geben?

Lammers: Sie sollten sich in ihrer Karriere besser beraten lassen, sollten sich besser vernetzen, sich besser informieren. Und nicht nur darauf vertrauen, dass ihre gute Leistung in ihrem Umfeld gesehen und honoriert wird. Männer betreiben hier oft ein deutlich geschickteres Self-Marketing.

Im zweiten Abschnitt: Ob eine Frauenquote in Aufsichtsräten sinnvoll wäre und warum man von erfolgreichen Frauen so wenig hört.

sueddeutsche.de: Norwegen hat eine Quote zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Aufsichtsräten eingeführt. Sollte das Beispiel Schule machen?

Lammers: Da bin ich skeptisch. Das Gros der Frauen betont in Gesprächen immer wieder, dass sie nicht in eine Position kommen wollen, nur weil sie weiblich sind. Es wäre dennoch wünschenswert und aus meiner Sicht längst überfällig, im deutschen Corporate Governance Kodex zumindest die Empfehlung aufzunehmen, freiwillig auf eine ausgewogene Verteilung von Männern und Frauen in den Aufsichtsräten zu achten. Wir können da nur von den Spaniern lernen, die längst über eine solche Empfehlung verfügen.

sueddeutsche.de: Was kann darüber hinaus helfen?

Lammers: Die Unternehmenskultur muss sich ändern. Sie muss offener und transparenter werden und die Lebensläufe von Frauen akzeptieren und honorieren, auch wenn sie nicht völlig stringent sind. Außerdem muss sich die gesellschaftliche Diskussion entkrampfen, praktischer und weniger dogmatisch werden. Man sollte sich darüber austauschen, was sich bei Unternehmen bewährt hat, statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.

sueddeutsche.de: Welche Rolle spielen die wenigen erfolgreichen Frauen? Man hört nicht viel von ihnen.

Lammers: Es gibt viele extrem erfolgreiche Frauen, von denen man sich wünschen würde, dass sie die Förderung von Frauen im eigenen Unternehmen stärker unterstützen. Sie haben ihre Position vielleicht auch deshalb erreicht, weil sie als Frau andere Qualifikationen mitbringen als Männer. Aber das betonen sie nicht gerne. Sie legen Wert darauf, dass primär ihre fachliche Qualifikation der treibende Faktor dafür war, in diese Position zu gelangen. Das führt dann häufig zu der bewussten Entscheidung, nicht speziell als Frauenförderer im Unternehmen in Erscheinung zu treten. Ich finde das schade.

sueddeutsche.de: Wie kann Frauenförderung in Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden?

Lammers: Es fängt immer damit an, dass Unternehmenslenker die Förderung von Frauen zur Chefsache machen. Heterogene Teams, das ist erwiesen, leisten mehr. Dabei geht es übrigens nicht nur um Frauen, sondern darum, dass alle gesellschaftlichen Gruppierungen im Management und später auch im Top-Management vertreten sind. Die Chefs, die sich persönlich dieser Herausforderung stellen, werden ihre gesamte Führungsriege für einen echten Wandel gewinnen.

sueddeutsche.de: Das heißt?

Lammers: Es sollte nicht bei Absichtserklärungen bleiben, sondern um konkrete Ziele gehen. Zur Zielvereinbarung für Führungskräfte könnte dann gehören, den Frauenanteil der eigenen Abteilung zu erhöhen, ein Mentoringprogramm aufzulegen oder den Netzwerkgedanken zu pflegen. Unternehmen, die das tun, berichten durchgängig Positives.

Dr. Brigitte Lammers ist Beraterin bei Egon Zehnder International. Zuvor war sie bei der Deutschen Telekom in unterschiedlichen Funktionen tätig - die promovierte Juristin war dort Stabsleiterin des Vorstands International, leitete den Fachbereich zur Steuerung von Global One und war Referentin im Bereich Beteiligungsmanagement. Brigitte Lammers hat in Bonn und Berkeley, USA, studiert und arbeitet heute in Berlin. Sie ist Mitgründerin von Fidar, einer deutschen Initiative von Frauen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für mehr Frauen in Aufsichtsräten.

Egon Zehnder ist eine international tätige Personalberatung, die Unternehmen vor allem bei der Suche nach Top-Führungskräften berät, Managementpotentiale evaluiert und die Firmen bei der Optimierung von Aufsichtsgremien und Führungsstrukturen unterstützt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.180026
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/jja/bön
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.