Süddeutsche Zeitung

Fragen im Vorstellungsgespräch:"Und was sind Ihre Schwächen?"

Es ist der Klassiker im Bewerbungsgespräch: Die Frage nach den Stärken und Schwächen kommt fast immer. Warum eigentlich? Und was sollten Bewerber antworten? Coach Heiko Lüdemann antwortet.

SZ-Leserin Kathrin G. fragt:

In ein paar Tagen habe ich, 33 Jahre, ein Bewerbungsgespräch, bei dem sicher wieder die Frage gestellt werden wird: Was sind Ihre Stärken und Schwächen? Ich frage mich immer, was eigentlich damit bezweckt wird. Soll meine Charakterfestigkeit getestet werden? Am liebsten würde ich bei den Schwächen "Chips essen" sagen. Was sind die besten beziehungsweise die unverfänglichsten Antworten auf diese Standardfrage? Und werden Antworten erwartet, die sich auf fachliche Qualitäten und auf Berufserfahrung beziehen? Oder gehtes eher um Charaktereigenschaften wie Offenheit, Kommunikationsfähigkeit oder Kollegialität?

Heiko Lüdemann antwortet:

Die Frage nach den Schwächen ist der Klassiker aller Vorstellungsgespräche. Und selbst wenn bereits vieles darüber gesagt oder geschrieben wurde, so stellt sie für den Betroffenen jedes Mal eine neue Herausforderung dar. Machen Sie sich vor allem klar: Es geht nicht darum, die geniale und einzigartige Antwort zu finden, es geht vielmehr darum, glaubwürdig und überzeugend zu sein.

"Ich bin motiviert, flexibel und verfüge über Durchsetzungsvermögen. Meine Schwächen? Hmm, ich würde von mir selbst sagen, dass ich manchmal ungeduldig bin." Wer so eine Antwort parat hat, wird eher nicht erfolgreich sein. Eine Aneinanderreihung von Worthülsen überzeugt nämlich niemanden.

Die Frage hinter der Frage des Personalers lautet vielmehr: Sind Sie ehrlich und selbstkritisch? Toll klingende Eigenschaften bringen da nicht weiter. Sie werden Ihrem Interviewpartner schon etwas mehr bieten müssen. Nennen Sie anschauliche Beispiele, die wirklich etwas mit Ihnen zu tun haben und im Idealfall auch noch mit den Anforderungen aus Stellenausschreibung übereinstimmen. Sie könnten antworten:

"Bezogen auf diese Stelle würde ich sagen: Ich bin begeisterungsfähig und kreativ. Wenn wir Zeit haben, möchte ich das gerne an einem Beispiel verdeutlichen."

Das Gleiche gilt für die Schwächen. Jeder Mensch hat Bereiche, in denen er weniger stark ist. Das ist menschlich. Die Frage ist nur, wie Sie mit Ihren Schwächen umgehen und wie diese im Tagesgeschäft in Erscheinung treten. Am besten wird es sein, wenn Sie Schwächen benennen können, die mit der ausgeschriebenen Position nicht in Verbindung gebracht werden können oder die bei genauerem Hinsehen sogar Stärken sind.

Zum Beispiel: "Wenn Sie mich nach meinen Schwächen fragen, dann fällt mir sofort ein, dass ich hin und wieder dazu neige, meinen Schreibtisch chaotisch zu hinterlassen. Da muss ich noch ein wenig an mir arbeiten, auch wenn das schon deutlich besser und ordentlicher geworden ist." Wenn Kreativität eine Ihre Stärken ist, dann ist es gewiss akzeptabel, wenn Sie hin und wieder einen chaotischen Schreibtisch hinterlassen. Mit dieser Schwäche unterstreichen Sie eine Ihrer Stärken.

Noch ein paar grundsätzliche Tipps: Beziehen Sie Ihren Gesprächspartner immer wieder mit ein und fordern Sie ihn auf, Ihnen zuzustimmen. Natürlich möchte er, dass Sie ihm ein Beispiel nennen! Wenn Sie über Ihre Schwächen sprechen, dann sollten Sie keineswegs zu großzügig sein und unaufgefordert gleich eine ganze Reihe von Schwachpunkten preisgeben. Ihre Fähigkeit zur Selbstkritik muss ja nicht gleich in Selbstzerfleischung ausarten. Und denken Sie immer daran: Wenn Sie Ihre relevanten Stärken nicht kennen, können Sie auch nicht beurteilen, ob Sie zu der ausgeschriebenen Position passen.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2011/holz
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