Frage an den SZ-Jobcoach:Wie verhindere ich, dass ich endgültig durchs Examen falle?

Leopold B. hat das Zweite Staatsexamen in Jura nicht bestanden - bereits zum zweiten Mal. Nun steht sein letzter Versuch an. Wie gelingt die Prüfung, trotz großer Angst?

SZ-Leser Leopold B. fragt:

Ich habe Jura studiert und möchte unbedingt Anwalt werden. Nach einem relativ langen Studium habe ich auch ein passables Erstes Staatsexamen geschafft. Das Zweite Staatsexamen ging dann erst einmal knapp schief, obwohl ich viel gelernt und mich eigentlich sattelfest gefühlt habe. Bei der Wiederholung der Prüfung bin ich trotz Repetitorium und Paukerei dann noch einmal durchgefallen. Ich war schockiert, weil ich sogar schlechter abgeschnitten habe als beim ersten Versuch.

Der nächste Versuch ist definitiv der letzte. Ich habe jetzt natürlich große Angst, wieder durchzufallen. Was kann ich tun?

Madeleine Leitner antwortet:

Lieber Herr B., die eine Hälfte fällt durch, die andere Hälfte fährt Taxi - mit diesem Kommentar begrüßt mancher Professor die Erstsemester in der ersten Vorlesung. Das Fach Jura zeichnet sich in der Tat durch einige Besonderheiten aus. Berüchtigt ist das über lange Zeit wenig strukturierte Studium. Erst spät werden große Mengen an Lernstoff auf einmal abgerufen, was zu hohen Durchfallquoten führt. Die große Zahl an Absolventen, verbunden mit der Tatsache, dass die späteren beruflichen Optionen sehr stark von den Noten abhängen, hat eine besonders starke Konkurrenz zur Folge. Nur wenigen steht danach das Tor in den öffentlichen Dienst oder eine bekannte Kanzlei offen.

Auch Prüfungen sind für die wenigsten Menschen ein Kinderspiel. Umso schlimmer, wenn es wirklich um etwas geht, vielleicht sogar ums Ganze. Zwar ist erwiesen, dass leichter Druck und verstärkter Einsatz sich positiv auf das Ergebnis auswirken. Zu viel Druck bewirkt allerdings das Gegenteil.

Aufwand und Nutzen stehen ab einem gewissen Punkt in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Überehrgeizige oder ängstliche Prüflinge bleiben daher oft unter ihren Möglichkeiten. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man mit mehr Einsatz auch immer mehr erreicht. Vielleicht haben Sie bei der Vorbereitung auf Ihr Examen durch das viele Lernen sogar zu viel des Guten getan. Anstatt nur noch blindwütig bis zum Umfallen zu pauken, ist es oft sinnvoller, zwischendurch einfach einmal auszuspannen.

Um Ihre Prüfung zu bestehen, ist es von entscheidender Bedeutung, den Druck richtig zu dosieren. Jetzt entspannt zu bleiben, ist natürlich kein leichtes Unterfangen. Vermeiden Sie es unbedingt, in Aktionismus zu verfallen. Lassen Sie zunächst Ihre positiven und negativen Erfahrungen bei der Vorbereitung auf Ihr Examen noch einmal Revue passieren.

Hatten Sie den richtigen Repetitor, der neben der fachlichen Kompetenz auch ein guter Pädagoge ist? Wie sah es mit einer langfristig angelegten sinnvollen Zeitplanung aus, mit der Strukturierung des Lernstoffs, mit Zeit für systematische Wiederholungen, ausreichenden Pausen? Wie erging es Ihnen bei den Probeklausuren? Sorgen Sie für die richtigen Rahmenbedingungen. Eine möglichst gute Vorbereitung gibt Ihnen die notwendige Sicherheit.

Zusätzlicher Druck entsteht vor allem im eigenen Kopf. Daher gilt es, auch diesen bewusst zu durchforsten. Womöglich entdecken Sie dort destruktive Gedanken wie: "Es ist sowieso alles schon zu spät", "Ich bin ein kompletter Versager", "Wenn ich jetzt wieder durchfalle, ist mein Leben für immer und ewig gelaufen". Kein Wunder, wenn solche gedanklichen Horror-Szenarien dazu beitragen, den objektiv vorhandenen Druck noch einmal negativ zu beeinflussen. Katastrophen im Kopf tragen im Sinne der bekannten Selffulfilling Prophecy maßgeblich zum Versagen bei. Hier gilt es, bewusst gegenzusteuern.

Die Expertin
Madeleine Leitner

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und hat als Therapeutin und Personalberaterin gearbeitet. Heute ist sie selbständige Karriereberaterin.

Machen Sie sich klar, dass die Realität selten so schlimm ist wie die Katastrophen im Kopf. Hier ein paar Gedanken, um die Dinge noch einmal geradezurücken. Erstens: Bei Ihrem Examen gibt es kein Gesetz der Serie. Die Tatsache, dass Sie es bisher nicht bestanden haben, hat für den nächsten Versuch objektiv betrachtet keinerlei Bedeutung. Jede Prüfung ist ein isoliertes Ereignis, bei dem Sie wieder eine Chance haben: neues Spiel, neues Glück.

Zweitens: Vermeiden Sie es, jetzt alles besonders gut machen zu wollen. Setzen Sie sich stattdessen ein realistisches Ziel. Um Anwalt zu werden, genügt es völlig, das Examen lediglich zu bestehen - irgendwie.

Drittens: Fixieren Sie sich nicht zu stark auf den einzigen Beruf des Anwalts, von dem Sie Ihr Wohl und Wehe abhängig machen. Selbst, wenn es auch diesmal nicht klappen sollte: Es gibt immer Alternativen, zumal Sie das Erste Staatsexamen ja haben. Viele Jurastudenten werfen früher oder später aus den unterschiedlichsten Gründen das Handtuch, meistens unfreiwillig, aber auch durchaus freiwillig. Die allermeisten finden den Einstieg ins Berufsleben, viele sogar durchaus erfolgreich.

Sie werden zum Beispiel Sachbearbeiter und haben dann immer noch mit juristischen Fragestellungen zu tun. Andere absolvieren eine Weiterbildung oder machen einen Quereinstieg in ganz andere Berufe. Mancher gescheiterte Jurist ist sogar froh, nichts mehr mit dem verhassten Fach Jura zu tun haben, und wechselt ins Marketing oder in den Vertrieb, wird Filmproduzent oder Manager.

Unter den Taxifahrern trifft man sie hingegen eher selten.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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