Frage an den SZ-Jobcoach:Was tun, wenn der Chef nicht glaubt, dass ich krank bin?

Lesezeit: 2 Min.

Die Arbeitnehmerin ist nach einer OP krankgeschrieben, ihr Chef will das aber nicht akzeptieren. Für den Jobcoach ist die Lage eindeutig.

SZ-Leserin Steffi J. fragt:

Meine Schwester wurde gestern am Gaumen operiert. Der Eingriff war komplizierter als erwartet, daher hat der Arzt sie eine Woche krankgeschrieben. Sie hat mehrere Nähte am Gaumen und starke Schmerzen. Ihr Abteilungschef hat auf ihre Krankenmeldung weder mit einem Genesungswunsch reagiert noch nach dem Verlauf der OP gefragt. Stattdessen erwartet er, dass sie in vier Tagen zu einer Schulung erscheint. Er hat schon mehrmals angerufen und verlangt nach einem Lösungsvorschlag von ihrer Seite. Da sie kaum sprechen kann, muss sie nun über Whatsapp mit ihm diskutieren. Finden Sie das in Ordnung?

Ina Reinsch antwortet:

Liebe Frau J., mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat der Arzt attestiert, dass ihre Schwester krank ist und deshalb nicht in der Lage ist zu arbeiten. Wenn Ihre Schwester gestern operiert wurde und nun für eine Woche krankgeschrieben ist, verlangt ihr Arbeitgeber also mit seiner Forderung, an der Schulung teilzunehmen, dass sie während ihrer Arbeitsunfähigkeit arbeitet. Dass muss sie selbstverständlich nicht tun. Seine Forderung impliziert aber, dass er ihre Schwester eigentlich für arbeitsfähig hält.

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Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit des sogenannten gelben Scheins, kann er sich an die Krankenkasse wenden. Diese entscheidet dann, ob sie die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit für so begründet hält, dass sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschaltet. Nur dieser kann die Arbeitsfähigkeit Ihrer Schwester überprüfen - wird in ihrem Fall aber kaum zu einem anderen Ergebnis kommen als der Arzt.

Hält der Arbeitgeber Ihre Schwester für eine Simulantin, könnte er theoretisch auf die Idee kommen, ihr zu kündigen oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern. Vermutlich ist es auch das, was Ihre Schwester neben der schlechten Stimmung unterschwellig fürchtet. Von der arbeitsrechtlichen Seite her kommt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber ein hoher Beweiswert zu. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass die Arbeitsunfähigkeit korrekt bescheinigt wurde. Will der Chef diesen Beweis des ersten Anscheins entkräften, muss er Tatsachen vortragen, die ihn entkräften. Das dürfte ihm hier freilich schwerfallen.

Bleibt noch die Frage: Ist Ihre Schwester verpflichtet, sich während ihrer Krankheit mit ihrem Arbeitgeber auseinanderzusetzen? Die Lösung, die der Chef einfordert, besteht meines Erachtens nur darin, ihm anzubieten, an der nächstmöglichen Schulung teilzunehmen. Größeren Diskussionsbedarf sehe ich dazu eigentlich nicht. Eine weitere Kommunikation über Whatsapp halte ich weder für erforderlich noch für geeignet. Ein Arbeitnehmer ist nicht dazu verpflichtet, während einer Krankheit für das Unternehmen bereitzustehen - es sei denn, es werden im Ausnahmefall dringende Informationen benötigt, über die nur dieser Mitarbeiter verfügt. Aber auch hier gilt: Menschenunmögliches kann nicht verlangt werden.

Im Gegenteil. Ich halte das Verhalten des Chefs aus arbeitsrechtlicher Sicht sogar für bedenklich. Er hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern, die ihm eine angemessen Rücksichtnahme abverlangt und dazu verpflichtet, Gefahren für ihre Gesundheit abzuwehren.

Ihre Schwester ist also rechtlich auf der sicheren Seite. Ich verstehe aber, dass sie die Situation belastet. Ihre Schwester oder Sie sollten den Chef also freundlich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass sie arbeitsunfähig ist, gerne das nächste Mal an der Schulung teilnimmt, sich nun aber kurieren müsse und daher für weitere Gespräche nicht zur Verfügung steht.

Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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