Frage an den SZ-Jobcoach:Was darf ich in einer Bewerbung verschweigen?

Paulina C. hat für ihr Bachelorstudium wegen einer psychischen Erkrankung länger gebraucht als gewöhnlich. Nun fragt sie sich, ob sie die Studiendauer im Vorstellungsgespräch erklären muss.

SZ-Leserin Paulina C. fragt:

Ich bin 25 Jahre alt und demnächst fertig mit dem Ethnologie- und Pädagogikstudium. Wegen einer psychischen Erkrankung habe ich nach dem Abitur ein Jahr vertrödelt und danach mein erstes Studium nach zwei Semestern abgebrochen. Auch in meinem jetzigen Studium konnte ich in den ersten drei Semestern kaum Prüfungen mitschreiben. Deshalb werde ich bis zum Bachelor neun statt der üblichen sechs Semester brauchen. Obwohl ich stolz darauf bin, die Depression überwunden und alle Leistungsnachweise nachgeholt zu haben (sogar mit guten Noten), weiß ich nicht, wie ich das bei künftigen Bewerbungsgesprächen erklären soll. Muss ich die Krankheit erwähnen?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau C., um Ihre lange Studiendauer zu begründen, müssen Sie Ihre frühere Erkrankung im Bewerbungsgespräch nicht erwähnen. Ein paar Semester mehr sind für heutige Bachelors nicht ungewöhnlich. Die mitunter langwierige Findungsphase ist allgemein bekannt, und gute Noten wenden den Nachteil in einen Vorteil. Sie sollten Ihre Erkrankung aber dann erwähnen, wenn Ihnen der bewältigte Schicksalsschlag einen Vorzug gegenüber anderen Bewerbern verschafft.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin.

Versetzen Sie sich beispielsweise einmal in die Rolle des Weiterbildungsanbieters, Behörden- oder Schulleiters, dem Sie wahrscheinlich bald gegenübersitzen werden: Warum und inwiefern macht Sie die überwundene Erkrankung zu einer besseren Pädagogin? Möglicherweise haben Sie eine schlüssig klingende Antwort, doch wägen Sie bitte sehr kritisch ab! Überwiegt der versprochene Vorteil für den Arbeitgeber tatsächlich das - zugegeben meist nur auf Vorurteile gestützte - Risiko, sich womöglich eine psychisch labile Person ins Haus zu holen?

Ehrlichkeit ist gut und schön und im Vorstellungsgespräch sogar gesetzlich vorgeschrieben. Sie dürfen also nicht lügen. Sie dürfen aber all das verschweigen, was bei der Entscheidung für oder gegen Sie aus objektiver Sicht keine Rolle spielt. Wenn Sie also kein schlagendes Argument finden, weshalb Sie nach Ihrer Genesung anderen Bewerbern überlegen sind, dann halten Sie darüber lieber den Mund und deuten Sie die schwierige Berufsfindung an, sprichwörtlich: Gut Ding braucht Weile.

Denn wenn Sie Ihre Krankengeschichte ausbreiten und beschreiben, wie tapfer Sie Ihr Schicksal angenommen haben, spiegelt Ihnen Ihr Gegenüber zwar möglicherweise Mitleid und Bewunderung wider. Aber nachdem Sie mit allen guten Wünschen für die Zukunft verabschiedet worden sind, könnte er ins Grübeln kommen. Und wie das ausgeht, liegt jenseits Ihrer Einflussmöglichkeit.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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