Süddeutsche Zeitung

Frage an den SZ-Jobcoach:Soll ich mich besser anonym bewerben?

Lesezeit: 2 min

300 Bewerbungen hat Gerhard Z. rausgeschickt - und immer Absagen bekommen. Um seine Chancen zu erhöhen, überlegt er nun, sich anonym zu bewerben. Doch ist das sinnvoll? Der SZ-Jobcoach weiß Rat.

SZ-Leser Gerhard Z. fragt:

Ich bin 56 Jahre alt, Diplom-Ingenieur (FH) und seit drei Jahren arbeitslos. Meine Zeugnisse sind prima, und ich hatte viele verschiedene interessante Jobs vom Bundeswehroffizier bis zum Vertriebsingenieur (Elektronik, Robotik, Visualisierung), auch im Ausland. Mein persönlicher Auftritt ist tadellos, mein Erscheinungsbild repräsentativ.

Ich höre oft, dass ich mit meinem Lebenslauf und meinen Zeugnissen überqualifiziert wirke. Trotz fast 300 Bewerbungen in den vergangenen drei Jahren, auch auf passende Stellenausschreibungen, kam kein einziges Angebot! Ich überlege nun, ob ich möglicherweise mit der neuen Form der anonymisierten Bewerbung mehr Erfolg hätte. Doch wie soll ich punkten, wenn ich alles weglasse, was meine Person von anderen heraushebt (Alter, Erfahrung, Erscheinungsbild)?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr Z., auch auf dem Arbeitsmarkt gehören immer zwei dazu. Das bedeutet: Wenn Sie sich anonym bewerben wollen, weil Sie damit auf bessere Einstellungschancen hoffen, dann können Sie das nur bei einem Arbeitgeber tun, der gesichtslose Bewerbungen akzeptiert. Dazu versuchsweise bereit sind in Deutschland knapp ein Dutzend Behörden und Unternehmen, und selbst dort kann man sich nur für bestimmte Jobs ohne Foto und Angabe persönlicher Daten bewerben.

Genauer gesagt: Man muss es sogar. In diesen Pilotprojekten dürfen Bewerber ihr Alter, ihre Nationalität und ihre ethnische Zugehörigkeit nicht nennen. Denn wenn im Zuge eines Auswahlprozesses offene und anonymisierte Bewerbungen gleichermaßen berücksichtigt werden, dürfte hinter jedem abgelehnten Bewerber ein prozessfreudiger Anwalt stehen, der gegen die Missachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes klagen wird.

Sie müssten sich also vor jeder Bewerbung auf eine Stellenausschreibung erkundigen, ob anonymisierte Bewerbungen zugelassen sind. Bei der verschwindend geringen Zahl von Personalchefs, die das bejahen, können Sie sich das sparen - zumal Sie als Fragesteller ja Ihren Namen offenlegen würden, was der Anonymität Ihrer nachfolgenden Bewerbung Hohn spricht. Außerdem wird sich, wer klassische Bewerbungen mit Angabe von Ross und Reiter haben will, kaum die Mühe machen, Ihnen das in einem freundlichen Antwortbrief mitzuteilen.

Gut, Sie könnten einen Stimmverzerrer ans Telefon anschließen, einen formulierten Text vom Blatt ablesen und darüber hinaus kein Wort sagen, mit dem Sie sich als Hanseat oder Bayer oder Levantiner outen würden. Aber halten Sie das nicht auch für albern? Anonymisierte Initiativbewerbungen sind doppelt blind und daher völlig aussichtslos: Jemand, der nichts über sich sagen will, fragt an, ob es ein zu seinem Profil passende Stelle gibt ...

Womit wir bei Ihrer eigentlichen Frage angekommen sind: Wie können Sie den Empfänger Ihrer Bewerbung von sich überzeugen, wenn Sie nichts Persönliches über sich mitteilen?

Die Befürworter der anonymisierten Bewerbung meinen, allein mit der Angabe Ihrer beruflichen Qualifikation und Ihrer bisherigen Leistungen. Etwa so: "Juli 2008 bis März 2010: Erfolgreiche Leitung des x-Projektes in x/USA, Führungsverantwortung für x Mitarbeiter, Projektbudget x Euro, planmäßiger Abschluss mit Verkürzung der Fertigungsdauer um x Prozent und Senkung der Produktionskosten um x Prozent."

Mein Rat: Versuchen Sie's, wenn Sie ein passendes Stellenangebot mit zugelassenen Anonymbewerbungen sehen. Und bei den anderen versuchen Sie es auch - auf die übliche Art und Weise.

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher zu Management-, Kommunikations- und Personalthemen.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2013
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