Frage an den SZ-Jobcoach:Soll ich die Drückeberger verpetzen?

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(Foto: Jessy Asmus)

Inken S. arbeitet als Sekretärin in einer Abteilung mit vielen Halbtagskräften, die viel Zeit mit Kaffeetrinken und Plaudern verbringen. Nun bittet sie den Jobcoach um Rat.

SZ-Leserin Inken S. fragt:

Ich arbeite als Sekretärin in einem mittelgroßen Unternehmen. In meiner Abteilung gibt es ziemlich viele Halbtagskräfte. Einige von ihnen verbringen den Großteil ihrer Zeit mit Kaffeetrinken und Ratschen. Mein Chef scheint nichts davon zu bemerken oder sagt zumindest nichts. Ich habe mit anderen Kollegen gesprochen, denen es auch aufgefallen ist, aber wir wissen nicht, wie wir etwas ändern können. Kann ich meinen Chef um ein Gespräch bitten und auf das Problem aufmerksam machen? Sollte ich Namen nennen, falls ich dazu aufgefordert werde? Oder stehe ich dann als Petze da?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau S., wo Menschen etwas gemeinsam auf die Beine stellen, ist es fast die Regel, dass sich einige auf Kosten der anderen einen schlanken Fuß machen. Wer an das große Ganze denkt, empfindet solches Verhalten als ungerecht, denn schließlich soll ja jeder den gleichen Anteil an der Arbeit leisten; Halbtagskräfte nur halb so viel, aber dafür bekommen sie auch weniger Geld. So weit die Theorie. Doch die Realität sieht anders aus.

Das liegt auch daran, dass die Fleißigen sich scheuen, mit den Arbeitsvermeidungskünstlern Tacheles zu reden. Man weiß ja nicht, wie sie reagieren, man will keinen Ärger, und am Ende steht man womöglich mit seinen Vorwürfen ganz alleine da, weil die Kollegen, die sich noch vor einer Viertelstunde solidarisch mitgeärgert haben, auf einmal einen Rückzieher machen. Selten wird es so still um einen herum wie nach der Aufforderung: "Jetzt sagt doch auch mal was dazu!"

Viele Drückeberger rechnen mit diesem verbreiteten Unbehagen. Scheele Blicke werden übersehen, anzügliche Spitzen überhört. Aus ihrer Sicht handeln sie vernünftig. Warum sollten sie ohne Not Tempo machen? Ändern können sie sich immer noch, wenn Druck von oben kommt. Der kommt aber oft gar nicht. Denn Vorgesetzten ist es prinzipiell egal, wer aus dem Team die Arbeit macht - Hauptsache, sie wird gemacht. Viele Chefs denken sogar erst zehn Minuten vor dem alljährlichen Mitarbeitergespräch über die Leistung der ihnen in Kürze gegenübersitzenden Person nach. Wenn ihnen dann nicht viel einfällt, kann das auch daran liegen, dass die anderen Teammitglieder mit ihrer Mehrarbeit die Minderleistung der anderen ausgeglichen haben. Auf diese Weise wird die Schonhaltung der einen von der Konfliktscheu der anderen gefördert.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, überlegen Sie, den Vorgesetzten zu informieren. Ihre Botschaft lautet: Sie sind der Chef, stellen Sie das ab! Selbstverständlich müssen Sie dabei Namen nennen. Woher sonst soll er wissen, auf wen sich Ihre Vorwürfe beziehen und mit wem er sprechen soll? Und selbstverständlich schwärzen Sie damit die Halbtagskräfte an. Das wollen Sie auf keinen Fall? Gut, dann bleiben Sie im Vagen: Es gibt Kollegen, die . . . Damit laufen Sie allerdings Gefahr, in den Augen des Chefs als Feigling, Querulantin oder gar Intrigantin dazustehen. Auch nicht nett, meinen Sie? Ich gebe Ihnen völlig Recht. Zumal sich Ihr Vorgesetzter womöglich erkundigt, ob Sie schon mal mit den Kollegen darüber gesprochen hätten. Was sagen Sie dann: Äh, nein?

Wie man's dreht und wendet: Am Ende stehen Sie ziemlich blöd da. Weshalb ich Ihnen den nur scheinbar schwierigeren Weg empfehlen würde, nämlich selbst mit den Kollegen zu sprechen. Mit jedem einzeln, mit vielen Ich-Botschaften ("Ich empfinde das so und so") und der Ankündigung, den Chef zu informieren, sollte sich nichts ändern. Jetzt liegt der Ball bei den Kollegen. Wenn sich nach vier Wochen immer noch nichts getan hat, gehen Sie zum Chef. Sie haben getan, was in Ihrer Macht steht. Jetzt muss er ran.

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin und Coach in Deutschland und Schweden.

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