Süddeutsche Zeitung

Frage an den SZ-Jobcoach:Muss das Arbeitszeugnis wohlwollend sein?

Olaf W. muss ein Zeugnis ausstellen für einen Mitarbeiter, mit dessen Leistungen er unzufrieden war. Für die Formulierung bittet er nun den Jobcoach um Rat.

SZ-Leser Olaf W. fragt:

Ich muss einem entlassenen Mitarbeiter ein Arbeitszeugnis ausstellen. Es heißt ja immer, Zeugnisse sollten wohlwollend formuliert sein. Im Falle dieses Mitarbeiters bringt mich das in einen Konflikt. Seine Leistungen stimmten nicht, er war für die Aufgabe absolut ungeeignet. Wie soll ich seine Arbeit da als "sehr gut" oder "stets zur vollsten Zufriedenheit" beschreiben? Da würde sich der nächste Arbeitgeber wundern.

Ina Reinsch antwortet:

Sehr geehrter Herr W., Ihr Dilemma kann ich gut nachvollziehen. Sie möchten die Leistung Ihres Mitarbeiters objektiv bewerten. Das würde wohl zu einer allenfalls durchschnittlichen Beurteilung führen. Wegloben möchten Sie ihn jedenfalls nicht, auch, um dem nachfolgenden Chef einen wahrheitsgemäßen Eindruck des Neuen zu vermitteln. Dass ein Zeugnis aber auch wohlwollend sein soll, wissen Sie. Dass Sie sich darüber so intensiv Gedanken machen, zeichnet Sie als verantwortungsbewusste Führungskraft aus.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Mitarbeiter Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Von diesem hängen auch seine weiteren Chancen ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss ein Zeugnis daher zwei Grundsätzen entsprechen. Es muss beides sein: wahr und wohlwollend. Das scheint sich bisweilen zu widersprechen.

Was die Wahrheit anbelangt, so hat der Arbeitgeber zwar einen Beurteilungsspielraum. Gleichzeitig ist ein Zeugnis aber gerichtlich dahingehend überprüfbar, ob sachfremde Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Ihre Leistungsbeurteilung muss sich auf objektiv nachprüfbare Kriterien stützen. Das kann durchaus knifflig sein. Denn greift der Mitarbeiter das Zeugnis arbeitsrechtlich an, kann es genau darauf ankommen.

Die "volle Zufriedenheit" des Arbeitgebers bildet den Maßstab für ein durchschnittliches Zeugnis, nach dem Schulnotensystem entspräche das der Note Drei. Will der Chef den Mitarbeiter schlechter beurteilen, muss er dies im Zweifel darlegen und beweisen können. Hier ist eine gute Dokumentation nötig. Hat Ihr Mitarbeiter beispielsweise regelmäßig Projekte nicht termingerecht zu Ende geführt oder haben sich Kunden über ihn beschwert, kann das, entsprechend belegbar, die Grundlage für eine weniger gute Bewertung liefern. Möchte der Arbeitnehmer dagegen eine bessere Bewertung als der Durchschnitt, muss er beweisen, dass er besser gearbeitet hat.

Sie müssen dem Mitarbeiter daher keine Eins oder Zwei attestieren, wenn dies nicht den Tatsachen entspricht. Hier kommen wir jedoch zum zweiten Grundsatz, dem Wohlwollen. Denn nachtreten oder durch eine vermeintlich positiv klingende Bewertung hintenherum diskreditieren dürfen Sie nicht. Das Zeugnis ist entscheidend für sein berufliches Fortkommen und sollte ihm nicht die Zukunft verbauen. Die Formulierung eines Zeugnisses für einen Mitarbeiter, mit dem man nicht zufrieden war, gleicht daher manchmal einem Drahtseilakt. Dennoch lassen sich sicher Formulierungen finden, die beiden Positionen gerecht werden.

Befürchten Sie bereits jetzt Ärger um das Zeugnis, sollten Sie Rücksprache mit der Personalabteilung oder einem Unternehmensjuristen halten und die Formulierungen besprechen. Ich möchte Sie jedoch in dem bestärken, was Ihr Bauchgefühl Ihnen bereits sagt: Schönfärberei ist nicht der richtige Weg, auch wenn uns Politik und Wirtschaft das Wegloben zweifelhafter Mitarbeiter immer wieder vormachen. Als Arbeitgeber könnten Sie sich damit sogar Schadenersatzansprüchen aussetzen, nämlich dann, wenn sich der hochgelobte Mitarbeiter beim nächsten Chef als völlig ungeeignet erweist.

Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2018
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