Frage an den SZ-Jobcoach:Müssen wir den neuen Chef in die Kantine mitnehmen?

Jürgen P. und seine Kollegen tun sich mit ihrem neuen Chef fachlich und menschlich schwer - nun möchte der Vorgesetzte mit ihnen zu Mittag essen. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

SZ-Leser Jürgen P. fragt:

Wir sind ein Team aus etwa einem Dutzend Vertriebsmitarbeitern. Seit einigen Monaten ist uns ein neuer Vertriebsleiter vorgesetzt, mit dem wir uns fachlich und menschlich alle sehr schwer tun. Nun hat er angekündigt, künftig mit uns gemeinsam in der Kantine zu Mittag essen zu wollen. Darüber sind wir nicht gerade erfreut. Ist es statthaft, ihm als Vorgesetzten zu vermitteln, dass wir beim Mittagessen lieber unter uns bleiben wollen? Und wenn ja, dann wie? Für eine Hilfestellung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Jan Schaumann antwortet:

Lieber Herr P., Sie schildern das Verhältnis zu Ihrem neuen Vorgesetzten sowohl auf der fachlichen wie auf der menschlichen Ebene als schwierig. Da ich die fachliche Seite nicht einschätzen kann, bitte ich um Verständnis, wenn ich mich mit meiner Antwort nur auf die zwischenmenschliche Herausforderung beziehe.

Der SZ-Jobcoach

Jan Schaumann war in verschiedenen Führungspositionen in international operierenden Unternehmen in Europa, Asien und den USA tätig. Heute lebt er als Managementtrainer, Seminarleiter und Buchautor in Berlin.

Wenn das gesamte Team, in Ihrem Fall immerhin etwa zwölf Personen, Probleme mit einem Vorgesetzten hat, läuft da schon etwas arg schief. Nun sind Sie an Ihrem Arbeitsplatz aber nicht bei "Wünsch dir was", wo Sie sich Ihren Traum-Chef frei konfigurieren könnten. Das heißt, Sie müssen sich zunächst einmal mit der Situation arrangieren. Ich gehe noch einen Schritt weiter und provoziere Sie mit der These, dass möglicherweise nicht Ihr neuer Vertriebsleiter Ursache der Störung ist, sondern Sie, die zwölf Verschworenen. Vielleicht denken Sie jetzt, dass es doch Unsinn sei und vollkommen unmöglich, dass einem zwölf Geisterfahrer auf einmal entgegenkommen. Unwahrscheinlich ja, aber nicht unmöglich.

Als Vertriebsprofi sind Sie lösungs- und nicht problemorientiert. Also genug gejammert, schauen Sie, wie Sie die Situation für alle Beteiligten möglichst gut lösen. Unterstellen Sie Ihrem Chef erst einmal grundsätzlich eine positive Absicht seiner Handlungen. Es gibt für alles einen Grund. Den müssen Sie nicht jetzt gleich herausfinden, das kommt später.

Ich unterstelle Ihrem Chef jetzt einfach mal, dass auch ihm die kommunikative Störung aufgefallen ist. Weswegen er den ersten Schritt auf das saubere Dutzend zu gemacht hat, indem er mit Ihnen gemeinsam zum Mittagessen in die Kantine gehen möchte. Wie wäre es damit, dies vorerst einmal als positives Signal zu werten? Always look on the bright side of life ...

Also ran an den gemeinsamen Kantinentisch! Geben Sie Ihrem Chef und sich selbst eine Chance. Mit einer kleinen Einschränkung: Achten Sie strikt darauf, dass sich die Gespräche beim Essen nicht um berufliche Dinge drehen. Niemals. Die Mittagspause ist Freizeit - und genauso sollten die Themen sein. Das sollten Sie vorab auch so kommunizieren. Vielleicht lohnt es sich ja, Ihren Vorgesetzten einmal als Mensch kennenzulernen. Dann können Sie immer noch entscheiden, ob Sie weiter mit ihm in die Kantine gehen oder sich künftig doch lieber einen Döner an den Schreibtisch holen.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: