Frage an den SZ-Jobcoach:Mein Job befriedigt mich nicht - was kann ich tun?

Viktoria B. arbeitet als freiberufliche Fach­über­setzerin und fühlt sich unter­fordert und unterbezahlt. Nun sucht sie eine neue Herausforderung.

SZ-Leserin Viktoria B. fragt:

Ich bin 52 Jahre alt, Volljuristin und arbeite seit 13 Jahren als freiberufliche Fachübersetzerin im Bereich Recht. Nach dem Zweiten Staatsexamen war ich jeweils wenige Jahre in der Finanzverwaltung, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und dann als selbständige Rechtsanwältin tätig. Meine jetzige Tätigkeit befriedigt mich weder finanziell noch geistig. Außerdem sitze ich den ganzen Tag alleine am Computer, was meiner Kontaktfreudigkeit völlig zuwiderläuft. Kurzum: Ich suche ein neues Betätigungsfeld, weiß aber nicht, wo ich suchen soll.

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau B., Ihre Zuschrift löst bei mir spontan zwei Fragen aus. Wie konnte es eine lebhafte und entschlussfreudige Juristin 13 Jahre lang in einer langweiligen, anspruchslosen, einsam machenden und dazu noch schlecht bezahlten Tätigkeit aushalten? Und warum will sie erst jetzt umsteuern?

Wenn Ihnen die Arbeit keine Freude mehr macht, Sie aber im Prinzip gut im Geschäft sind, also viele Aufträge bekommen, dann könnten Sie unliebsame Jobs einfach ablehnen und sich die spannenden herauspicken. Falls die Aufträge spärlicher kommen, wäre es Zeit für eine Verkaufsoffensive mit Kundenbesuchen, einem neuen Dienstleistungsportfolio und intensive Neukundenakquise. All das haben Sie sicher erwogen. Aber Sie wollen nicht mehr vom Gleichen. Ihnen reicht's.

Vor Ihrer Freiberuflichkeit haben Sie allerlei Erfahrungen gesammelt. Schon mal überlegt, daran wieder anzuknüpfen? Als Volljuristin könnten Sie allein oder zusammen mit anderen ein Anwaltsbüro eröffnen. Ganz raus waren Sie ja nie aus Ihrem Beruf. Von daher könnte der Wiedereinstieg gelingen.

Da Sie übersetzt haben, müssen Sie mindestens eine Fremdsprache perfekt beherrschen. Als zweisprachige Juristin, die es sonst fast nur in großen Kanzleien gibt, haben Sie einen Marktvorteil. Allerdings werden Sie auch als Anwältin viel allein am Computer sitzen. Und es kann dauern, bis Sie von der Juristerei leben können. Eine schnelle Lösung ist das ebenso wenig wie eine langfristig sichere Lösung. Als angestellte Juristin würden Sie zwar finanzielle Sicherheit gewinnen. Nur wird die Jobsuche einige Zeit in Anspruch nehmen. Während der Sie tunlichst die Zähne zusammenbeißen und weiter Übersetzungen machen.

Jenseits Ihres erlernten Berufs steht Ihnen theoretisch alles Mögliche offen. Sie könnten selbständig bleiben und ein Rechtscafé eröffnen, Palandt an Palatschinken sozusagen. Außer Kaffee, bequemen Sesseln und dem BGB-Kommentar im Regal bieten Sie schnellen Internetzugang. Wenn Sie in einer Hochschulstadt mit juristischer Fakultät leben und die notwendige Investition stemmen können, wäre das eine Option.

Nur der Vollständigkeit halber erwähne ich das boomende Geschäftsfeld Legal Tech. Mit der juristischen Recherche am Rechner beauftragen Großkanzleien selbständige wie angestellte Juristen. Fließendes Englisch ist zwingend geboten. Aber leider auch Ihre Bereitschaft, überwiegend allein am Computer zu arbeiten. Deshalb dürfte das eher nicht Ihr Ding sein. Aber vielleicht reizt Sie die Tätigkeit in der Rechtsabteilung eines Unternehmens. Hören Sie sich bei den größeren Firmen in Ihrer Stadt doch einmal um, denn solche Stellen werden selten ausgeschrieben. Möglicherweise können Sie irgendwo für Juristen in Elternzeit einspringen.

Zuallererst freilich müssen Sie eine grundlegende Entscheidung treffen: Wollen Sie weiter selbständig arbeiten (größere Freiheit, unsicheres Einkommen) oder als Angestellte (sicheres Einkommen, weniger Freiheit)? Erfahrungen haben Sie in beiden Arbeitsformen gesammelt. Worin fühlen Sie sich wohler?

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin und Coach in Deutschland und Schweden.

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