Frage an den SZ-Jobcoach:Kann ich mir einen Bruch im Lebenslauf leisten?

Lesezeit: 2 min

Alexander W. strebt eine Karriere in der internationalen Politik oder Diplomatie an, aber ihm fehlt Berufspraxis. Gefährdet ein zweitklassiger Übergangsjob seine Pläne?

SZ-Leser Alexander W. fragt:

Ich habe einen Bachelor in Politik und Soziologie und einen Master in Konfliktforschung. Nun strebe ich eine Karriere in einer internationalen Organisation wie UN, EU, Nato oder in der Entwicklungshilfe an. Praktika habe ich bei den Vereinten Nationen in New York und in einem internationalen Thinktank in Berlin absolviert. Alles mit Fokus auf UN und internationale Politik/Diplomatie. Nach meinem Abschluss würde ich jetzt gerne noch etwas Berufserfahrung sammeln. Beispielsweise könnte ich in Irland einen Job als Übersetzer für IBM antreten. Leider hat dies mit meiner Studienrichtung rein gar nichts zu tun, es ginge nur um den finanziellen Aspekt und darum, nicht erwerbslos zu sein. Wäre dies ein Bruch in meinem Lebenslauf, der bei einer späteren Bewerbung bei einer internationalen Organisation erklärungsbedürftig wäre?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr W., ich stelle Sie mir gerade am Startpunkt einer Skipiste vor, mit angespanntem Gesichtsausdruck und einen Rucksack voller Schmerzmittel, Verbandsmaterial, Kunststoffschienen und Signallampen auf dem Rücken. Klar, Sie könnten stürzen. Aber mit 15 Kilo auf dem Buckel erhöhen Sie das Risiko. Ich rufe Ihnen daher zu: Weg mit dem Ballast! Sie stehen doch erst am Anfang Ihres Berufslebens - und da denken Sie schon an einen Bruch im Lebenslauf? Das ist viel zu früh.

Ein Karrierebruch setzt zumindest den Beginn einer Karriere voraus, und auf diesem Pfad sind Sie erst nach dem Berufseinstieg und ein, zwei erfolgreichen Kletterübungen. Wenn Sie dann komplett die Richtung wechseln, müssen Sie das erklären. Doch gemach, so weit sind Sie noch gar nicht.

Mit Ihren Studienabschlüssen und Praktika haben Sie die Grundlagen für eine Tätigkeit in einer internationalen Organisation gelegt und sich wahrscheinlich auch bei passenden Einrichtungen beworben. Offenbar bisher ohne Erfolg, was nahelegt, dass auf Ihrer beeindruckenden "Erledigt"-Liste noch etwas fehlt. Wenn Sie ganz sicher sind, dass dies englische Sprachkenntnisse sind, dann ab nach Irland und fließend Englisch lernen.

Aber überlegen Sie genau: Ist es das wirklich? Könnte nicht viel eher eine Promotion fehlen? Ein Doktortitel kommt bei weltweit begehrten Arbeitgebern sehr gut an. Oder könnte Ihnen das Gegenteil fehlen, nämlich der Nachweis, dass Sie sich im praktischen Arbeitsleben eine Zeitlang bewährt haben? Auch das spräche für Irland, aber ebenso gut für jede andere qualifizierte Tätigkeit im Ausland, möglichst nahe natürlich an gesellschaftlichen oder ökonomischen Themen.

Schauen Sie sich doch einmal die Werdegänge von prominenten EU- und UN-Mitarbeitern an. Sie werden staunen, womit die ihre Karriere begonnen haben. Das Spektrum reicht vom Buchhändler (EU-Parlamentspräsident Martin Schulz) bis zum Mitarbeiter in einer Militärdiktatur (UN-Generalsekretär Ban Ki Moon).

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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