Frage an den SZ-Jobcoach:60 Bewerbungen und kein Job: Was mache ich falsch?

Ständig ist die Rede vom Fachkräftemangel - Techniker Eckardt F., 54, ist trotzdem seit einem Jahr erfolglos auf Stellensuche.

SZ-Leser Eckardt F. fragt:

Ich bin 54 Jahre alt und seit einem knappen Jahr auf Stellensuche. Ich bin Maschinenbautechniker, zweisprachig und örtlich flexibel. Ich bringe mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in der Zulieferbranche mit, davon 20 Jahre im selben Unternehmen. Wegen Umstrukturierungen im Betrieb habe ich ein Abfindungsangebot angenommen - allerdings hatte ich nicht erwartet, dass die Jobsuche so schwer werden würde. Nach fast 60 Bewerbungen habe ich erst eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Langsam mache ich mir Sorgen, und es macht mich wütend, wenn immer vom Fachkräftemangel, speziell in technischen Berufen, die Rede ist. Wie soll ich weiter vorgehen?

Madeleine Leitner antwortet:

Lieber Herr F., Ihre Frustration ist verständlich. Ältere Stellensuchende brauchen im Durchschnitt doppelt so lange wie andere, um wieder in Lohn und Brot zu kommen. Aber immerhin hat im Jahr 2015 fast eine halbe Million von ihnen einen neuen Job gefunden. Unternehmen, die Mitarbeiter über 50 Jahre eingestellt haben, waren mit diesen besonders zufrieden. Seniorität wird also durchaus geschätzt. Außerdem spielt Ihnen der demografische Wandel in die Karten. Bleiben Sie also unbedingt am Ball!

Ihre Erfolglosigkeit hat wahrscheinlich auch mit Ihrer Suchmethode zu tun. Entgegen der landläufigen Meinung sind Bewerbungen eine denkbar schlechte Methode für die Jobsuche. Sobald eine Stelle erscheint - auf einer Homepage, einem Jobportal oder in einem Printmedium - landet Ihre Bewerbung nämlich naturgemäß auf einem Stapel zahlreicher Mitbewerber. Dieser wird anschließend vom Personaler gesiebt: Von 160 Bewerbungen werden nach einer Studie im Schnitt 24 überhaupt näher angeschaut, sieben Bewerber werden eingeladen, einer erhält den Job. Alle anderen gehen leer aus, erst recht Nicht-Ideal-Kandidaten.

Für die Jobsuche gibt es aber wesentlich bessere Methoden. Versetzen Sie sich dafür einmal in die Rolle eines Arbeitgebers, der sich auf die Suche nach einem neuen Mitarbeiter macht. Aus Erfahrung weiß er, dass er unter einer Lawine von Bewerbungen begraben wird, sobald er die Stelle ausschreibt. Er fürchtet den großen Aufwand und das hohe Risiko einer Fehlbesetzung. Um sich das zu ersparen, schlägt er zunächst andere Wege ein. Er hört sich bei seinen Mitarbeitern um, spricht mit anderen Unternehmern, seinem Steuerberater, Lieferanten oder Kunden, auch privat mit Vereinskameraden oder Freunden. Er durchkämmt Initiativbewerbungen, wirft einen Blick in einschlägige soziale Netzwerke und nimmt Kontakt zu Ingenieurdienstleistern auf.

Diese Phase, in der eine Stelle bereits vakant, aber noch nicht ausgeschrieben ist, wird als "verdeckter Stellenmarkt" bezeichnet. Hier haben Sie die wenigste Konkurrenz und schon deshalb die besten Chancen, zu einem Gespräch eingeladen zu werden, weil jemand Sie kennt und wärmstens empfiehlt.

Wie kann ein Arbeitgeber in dieser Phase von Ihnen erfahren? Streuen Sie überall, dass Sie auf Jobsuche sind - unter Freunden, Bekannten, Verwandten, ehemaligen Kollegen, Geschäftspartnern und Kunden. Besuchen Sie Veranstaltungen und Messen, Fachgruppen von Berufsverbänden, diskutieren Sie in Foren im Internet. Gehen Sie initiativ auf kleinere Firmen und Ingenieurdienstleister zu.

Nachweislich wird maximal die Hälfte aller Stellen durch klassische Bewerbungen besetzt, mehr als jede fünfte über persönliche Kontakte, fast jede zehnte durch Initiativbewerbungen. Nutzen Sie diese Chance! Natürlich sollten Sie sich auch weiterhin klassisch bewerben. Nehmen Sie Absagen aber nie persönlich! Wenn Sie erst einmal in einem Stapel liegen, haben Sie schon fast verloren.

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und lebt als Karriereberaterin in München.

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