Frage an den Jobcoach:Wie leite ich mein Team zum Mitdenken an?

Die Mitarbeiter von Abteilungsleiter Niko H. erwarten stets detaillierte Anweisungen. Vom SZ-Jobcoach will er wissen, wie er ihre Eigeninitiative fördern kann.

SZ-Leser Niko H. fragt:

Vor neun Monaten habe ich eine technische Abteilung in unserem Unternehmen übernommen. Ich soll die Service-Orientierung stärken und die Eigeninitiative der Mitarbeiter fördern. Die Abteilung steht im Ruf, behäbig und bürokratisch zu sein. Mein Vorgänger ist aus Altersgründen ausgeschieden und hat seine Mitarbeiter nach klaren Vorgaben geführt, die er sehr penibel überprüft hat. In Folge der Digitalisierung muss ich viele Prozesse umgestalten und Schnittstellen neu definieren. Das ist nur zu schaffen, wenn alle Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und sich aktiv mit konstruktiven Vorschlägen beteiligen. Die Mitarbeiter scheinen aber von mir zu erwarten, dass ich ihnen den Weg vorgebe und im Detail erkläre, was sie tun sollen. Wie leite ich meine Mitarbeiter zum Mitdenken an und bringe sie dazu, die Initiative zu ergreifen und ihre Arbeit selbst zu gestalten?

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr H., wenn Sie den Widerstand Ihrer Mitarbeiter nicht weiter erhöhen wollen, nehmen Sie den Druck und die Geschwindigkeit raus - selbst dann, wenn Sie überzeugt sind, dass die Digitalisierung ein erhöhtes Tempo erfordert. Ihr Konzept zur Umgestaltung von Prozessen, Schnittstellen und den damit vermutlich verbundenen neuen Aufgabenzuschnitten setzt ein Maß an Selbstorganisation und Eigeninitiative voraus, das Ihre Mitarbeiter unter Ihrem Vorgänger nicht gewohnt waren. Wer streng kontrolliert wurde, achtet darauf, keine Fehler zu machen und Vorgaben strikt einzuhalten. In diesem kulturellen Kontext ist wenig Raum für kreative Vorschläge und innovatives Denken.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Eine entsprechende Abteilungskultur muss zunächst in kleinen Schritten entwickelt werden. Ohne eine solche Vorbereitung läuft Ihr Bemühen ins Leere, Prozesse zu beschleunigen und durch mehr Verantwortungsübernahme beweglicher zu machen. "Culture eats strategy for breakfast" - so hat Peter Drucker, einer der einflussreichsten Management-Denker des 20. Jahrhunderts, die Auswirkungen beschrieben, wenn neu eingeführte Strategien und die bisher gelebte Unternehmenskultur sich widersprechen.

Ein Großteil Ihrer Mitarbeiter hat einen kontrollierenden Führungsstil verinnerlicht und versteht Ihr Angebot, Prozesse selbst zu gestalten, nicht im Sinne von: "Was wollen und können wir tun?" Sie verstehen eher: "Was ist das denn für eine unklare Anweisung? Will der Chef jetzt prüfen, was wir drauf haben? Bloß keinen Fehler machen! Lieber noch mal nachfragen."

Das Angebot oder die Erwartungshaltung an Ihre Mitarbeiter, eigene Ideen zu entwickeln, erhöht zunächst deren Unsicherheit. Das Team gerät in eine Übergangsphase, in der alte Skripte verlernt und Neues vorsichtig ausprobiert werden muss. Das braucht Zeit und Schutz. Ansonsten entsteht massiver Widerstand.

Ein Weg dahin kann darin bestehen, zunächst wie Ihr Vorgänger auch Anweisungen zu geben und die Ergebnisse zu kontrollieren, dabei aber inhaltlich eine neue Herangehensweise an Aufgaben zum Thema zu machen. Etablieren Sie das Üben von Selbstorganisation und Eigeninitiative als ein Aufgabenfeld, das in jeder Teamrunde gleichberechtigt neben den fachlichen Themen besprochen und reflektiert wird, und erklären Sie lieber einmal zu viel als zu wenig den Sinn dieser Maßnahme. Geben Sie jedem einzelnen Mitarbeiter individuell zugeschnittene Aufgaben, die er in Selbstorganisation und Eigeninitiative bearbeiten soll. Diese Aufgaben sollen für den Mitarbeiter anspruchsvoll, aber zu bewältigen sein.

Mit einer solchen Verzahnung von kulturellem Wandel mit fachlichen Zielen werden Sie zunächst langsamer unterwegs sein als vorher. Sie erarbeiten sich in vielen kleinen Schritten gemeinsam ein kulturelles Fundament, das den Teamgeist fördert, den Umfang von Selbstorganisation und Belastbarkeit der einzelnen für alle erfahrbar macht und das erst später, wenn es gut eingeübt ist, sehr viel schnellere Prozess- und Entscheidungswege ermöglicht. Indem Sie die Eigeninitiative Ihrer Mitarbeiter regelmäßig im Team reflektieren, bekommen Sie einen guten Eindruck, ab wann Sie einzelnen Mitarbeitern oder Gruppen von Mitarbeitern umfassendere Aufgabepakete vollständig delegieren können.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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