Süddeutsche Zeitung

Frage an den Jobcoach:Wie begründe ich den Jobwechsel bei Überlastung?

Frieder W. fühlt sich von seinem Chef ausgebeutet und will wechseln. Vom SZ-Jobcoach möchte er wissen, wie er seine Motive in einem Vorstellungsgespräch erklären kann.

SZ-Leser Frieder W. fragt:

Nach mehr als zehn Jahren bei meinem jetzigen Arbeitgeber möchte ich die Stelle wechseln. Der Grund: immer mehr Arbeit durch Umstrukturierung, immer mehr Überstunden und leider immer mehr Nachfragen, warum man die Arbeit denn nicht mehr schafft. Nun frage ich mich, wie ich das beim Vorstellungsgespräch mit einem potenziellen neuen Arbeitgeber vermittele, ohne ihn klischeehaft mit "neuen Herausforderungen" abzuspeisen. Ich möchte ja nicht meinen alten Arbeitgeber schlechtmachen, will aber den Wechsel auch begründen.

Die gleiche Frage wird sich vermutlich auch bei der Kündigung stellen. Einerseits möchte ich gern, dass der Arbeitgeber ein Feedback bekommt und vielleicht etwas ändert. Aber ich möchte ihn auch nicht vergraulen, man trifft sich schließlich immer zweimal im Leben. Was raten Sie mir?

Vincent Zeylmans antwortet:

Lieber Herr W., in dieser Zeit scheint der Wandel die einzige Konstante. Daher verwundert es nicht, dass sich in den vergangenen zehn Jahren Änderungen bei Ihrem Arbeitgeber ergeben haben. Zunächst sollten Sie diese mal ohne Wertung anschauen. Was war die Ursache? Kam ein neuer Chef in Ihre Abteilung? Hat sich die Eigentümerstruktur geändert? Fordert die wirtschaftliche Situation mehr Einsatz der Mitarbeiter? Möglicherweise ist Missmanagement erkennbar. Es kann auch sein, dass sich durch eine erhöhte Arbeitsverdichtung die Produktivität gesteigert hat.

Der SZ-Jobcoach

Vincent Zeylmans war lange Bereichsleiter und Geschäftsführer in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis. Heute lebt er als Buchautor, Karrierecoach und Outplacementberater in Emmerich am Rhein.

Solange sich die Änderungen im Rahmen des Gesetzes und der Arbeitsverträge bewegen, ist daran formal wenig auszusetzen. Es kann sogar sein, dass Ihr Unternehmen betriebswirtschaftlich besser aufgestellt ist als noch vor einiger Zeit. Eine ganz andere Frage ist, wie Sie sich dabei fühlen. Es ist absolut legitim, festzustellen, dass es sich nicht mehr um den Arbeitgeber handelt, bei dem Sie einmal angefangen haben. Auch das können Sie wertfrei stehen lassen. Vielleicht gibt es neue Kollegen, die sich in dieser Kultur zu Hause fühlen. Doch für Sie gilt offenbar, dass die Arbeitsumgebung und Ihre Persönlichkeit nicht länger zusammenpassen.

Mit dieser Haltung können Sie auch ins Vorstellungsgespräch gehen. Natürlich beginnen Sie mit den Punkten, die Sie an dem potenziellen Arbeitgeber begeistern. Irgendwann wird aber die Frage nach der Wechselmotivation kommen. Sie können sagen, dass Sie Ihre derzeitige Firma respektieren und dann auf die veränderten Arbeitsabläufe hinweisen. Diese Umstrukturierungen könnten Sie nachvollziehen, aber Sie entdeckten gleichzeitig, dass die neue Identität nicht länger mit Ihren Werten in Einklang zu bringen sei. Gerade in dieser Zeit, in der am Arbeitsmarkt ständig neue Stellen entstehen, ist es für Mitarbeiter einfacher geworden, ein berufliches Umfeld zu finden, das zu ihnen passt.

Manche Arbeitgeber führen grundsätzlich mit jedem ausscheidenden Mitarbeiter ein Exit-Gespräch. Wenn das bei Ihnen nicht der Fall ist, können Sie darum bitten. Sonst bleibt immer noch die Möglichkeit, eine Rückmeldung per E-Mail an die Personalleitung, die Fachbereichsleitung oder die Geschäftsleitung zu senden.

Vermeiden Sie unbedingt, dass es wie eine Abrechnung klingt. Erzählen Sie, welche Änderungen Sie beobachtet haben und welche Emotionen dies bei Ihnen ausgelöst hat. Sie können auch in der Ich-Form auf Ihre Bedürfnisse hinweisen und Lösungsvorschläge anbringen. Ihr Arbeitgeber kann sich dann selbst eine Meinung bilden, ob es sich bei Ihnen um einen Einzelfall handelt. Und Sie können loslassen. Sollte Ihr Arbeitgeber allerdings Einsicht zeigen, rate ich Ihnen davon ab, dass Sie Ihre Entscheidung rückgängig machen.

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Quelle:
SZ vom 08.07.2017/lho
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