Frage an den Jobcoach:Ein Lehrer muss nachsitzen

SZ-Leser Rolf U. fragt Rechtsanwältin und Autorin Ina Reinsch: Wie viele Überstunden muss ich als Pädagoge kurz vor der Pensionierung akzeptieren?

SZ-Leser Rolf U. fragt:

Ich habe ein Problem mit geforderter Mehrarbeit. Ich bin Lehrer, verbeamtet. Meine Dienstzeit endet am 31. Oktober 2017. Ab diesem Zeitpunkt steht mir also Pension zu. Als Lehrer darf beziehungsweise muss ich aber bis zum 17. Februar 2018 arbeiten, bis zum nächsten Zwischenzeugnistermin. Das akzeptiere ich. Mein Problem ist: Bin ich in dieser Zeit auch noch verpflichtet, zusätzliche Arbeit in Form von Vertretungsstunden und Ähnliches zu erledigen, was mir angedeutet wurde? Dies würde ich aus moralischen Gründen nämlich nicht akzeptieren.

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr U., Ihren Unmut kann ich nachvollziehen. Der Lehrerberuf hat trotz seiner schönen Seiten ein enormes Verschleißpotenzial. Hohe Lärmbelastung und immer größere Klassen zehren an Nerven und Kraft. Viele Lehrer halten gar nicht bis zur Rente durch. Etwa zwölf Prozent der 2015 pensionierten Lehrerinnen und Lehrer wurden laut Statistischem Bundesamt wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und zwar mit durchschnittlich 58,9 Jahren. Im Durchschnitt waren die 2015 pensionierten Lehrkräfte 63,5 Jahre alt. Leider schreiben Sie nicht, in welchem Bundesland Sie wohnen. Ich möchte die Rechtslage daher einmal anhand der bayerischen Regelungen skizzieren. In anderen Bundesländern existieren aber vergleichbare Vorgaben.

Frage an den Jobcoach: Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette, oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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Als Altersgrenze für den Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand gilt bei verbeamteten Lehrern an öffentlichen Schulen, die nach dem 31.12.1963 geboren sind, das Ende des Schulhalbjahres, in dem sie ihr 67. Lebensjahr vollenden. Für davor geborene Beamte gelten je nach Geburtsjahr gestaffelte Altersgrenzen. Lehrer können also immer nur zum Ende des jeweiligen Schulhalbjahres aus dem Dienst ausscheiden. Daher müssen sie in der Regel etwas über ihren 67. Geburtstag hinaus arbeiten, treten dann aber mit einem taggenau berechneten Versorgungsaufschlag in den Ruhestand. Das erste Schulhalbjahr endet nach Ablauf des Freitags der zweiten vollen Unterrichtswoche im Februar. 2018 ist das der 17. Februar. Bis dahin sind Sie ein ganz normaler Lehrer mit allen Rechten und Pflichten. Dazu gehört auch die Leistung von Überstunden.

Doch wie viel müssen Lehrer arbeiten, und was gilt als Mehrarbeit? Die regelmäßige Arbeitszeit besteht für verbeamtete Lehrer aus der Unterrichtspflichtzeit mit Vor- und Nachbereitung. Auch Zeiten zur Erfüllung der Dienstpflicht außerhalb des Unterrichts zählen dazu.

Mehrarbeit im Schuldienst liegt dann vor, wenn Lehrer aus zwingenden dienstlichen Gründen über die regelmäßige wöchentliche Unterrichtspflichtzeit hinaus Schulstunden abhalten. Der Dienstherr ist für Mehrarbeit in gewissem Umfang ausgleichspflichtig, er muss die Überstunden zunächst durch Freizeit ausgleichen. Wenn das aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, muss er sie vergüten. Das gilt allerdings nur, wenn der Lehrer mehr als drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat über seine individuelle Pflichtstundenzahl hinaus arbeitet. Drei Überstunden pro Monat sind also mit dem Gehalt abgegolten.

Frage an den Jobcoach: Ina Reinsch hat Jura, Kriminologie und Soziologie in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

Ina Reinsch hat Jura, Kriminologie und Soziologie in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

(Foto: Vohler)

Allerdings muss der Schulleiter bei der Anordnung von Überstunden einiges beachten: Mehrarbeit kann er nur anweisen, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Zuvor muss er prüfen, ob der Unterricht nicht durch geeignete nebenamtliche Lehrkräfte oder Aushilfslehrkräfte erteilt werden kann. Überstunden dürfen in der Regel nur zu Erteilung von Unterricht angeordnet werden, der nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten sonst ausfallen müsste. Diese Option ist für die Schulen enorm wichtig. Denn häufig sind Lehrer krank oder verhindert. Die Kinder erscheinen aber trotzdem morgens und müssen unterrichtet werden.

Zwingende dienstliche Verhältnisse liegen jedoch erst dann vor, wenn eine Situation auftritt, die sich vom normalen Tagesablauf unterscheidet. Ist die Schule chronisch unterbesetzt, ist das an sich keine Ausnahmesituation, die Mehrarbeit rechtfertigt. Überstunden dürfen zudem nicht für die Teilnahme an Veranstaltungen angeordnet werden, die kein Unterricht sind, also auch nicht für Lehrerkonferenzen. Ist Mehrarbeit unumgänglich, muss sie nach Möglichkeit gleichmäßig auf alle in Betracht kommenden Lehrkräfte verteilt werden. Dies gilt auch für Mehrarbeit innerhalb der Drei-Stunden-Grenze. Das ist der Rahmen, in dem Sie sich als verbeamteter Lehrer bewegen.

Ich würde Ihnen empfehlen, das Gespräch mit dem Schulleiter zu suchen. Ich weiß zwar nicht, wie sich die konkrete Situation an Ihrer Schule darstellt, also wie sie personell ausgestattet ist und wie offen Ihr Vorgesetzter auf die Belange einzelner Lehrer reagieren kann und will. Bedenken Sie auch, dass Sie nach wie vor Teil des Kollegiums sind und es nicht nur ermessensfehlerhaft, sondern auch unkollegial wäre, wenn die anderer Lehrer die auf sie entfallenden Überstunden mit übernehmen müssten. Sollte sich die geforderte Mehrarbeit außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen, können Sie sich natürlich wehren. Ansonsten müssen Sie leider die Zähne zusammenbeißen. Vielleicht gelingt es Ihnen aber mit Blick auf den nahenden Ruhestand, eventuelle Überstunden mit etwas Gelassenheit zu ertragen.

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