Fortbildungen in der Touristikbranche:Offen für Quereinsteiger

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In den Tourismus führen ganz verschiedene Wege. Auch für Mitarbeiter anderer Branchen, etwa für Fachleute aus sozialen Berufen, bieten sich hier Perspektiven.

Von Benjamin Haerdle

Wein- und Sektstadt mit dem Riesling als typischer Rebsorte, historischer Altstadtkern mit Fachwerkhäusern, Straußenwirtschaften mit regionaltypischem Essen, erste urkundliche Erwähnung im Jahr 754 - Dirk Krams weiß die 17 800-Einwohner-Stadt Hochheim am Main bestens zu präsentieren. Das verwundert wenig, schließlich leitet der 52-Jährige das Amt für Stadtmarketing in der hessischen Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet. Derzeit treibt Krams mit einer Kollegin den Tourismus in Hochheim voran: So besitzt die Stadt mittlerweile ein touristisches Logo, veröffentlicht Infobroschüren für Gäste und plant eine Touristeninformation, die voraussichtlich 2020 ihre Pforten öffnet. "Hochheim hat Charme und touristisches Potenzial. Wir wollen das künftig weiter verbessern und stärker vermarkten", sagt Krams.

Wie Buchungen via Smartphone funktionieren, das kann man in speziellen Kursen einüben

Das touristische Know-how dafür musste sich Dirk Krams erst in Weiterbildungen aneignen, denn ursprünglich hatte er Sozialarbeit an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt studiert. Nach dem Studienabschluss arbeitete er bis 2009 als Jugendarbeiter der Stadt Hochheim, ehe er Amtsleiter für Stadtmarketing, Kultur und Vereine wurde. Danach studierte Krams berufsbegleitend Stadtmarketing inklusive Tourismus und belegte voriges Jahr einen einwöchigen Kurs für Quereinsteiger im Tourismus am Deutschen Seminar für Tourismus (DSFT).

Neulinge im Tourismus wie Dirk Krams sind beileibe keine Ausnahme. "Die Branche ist prinzipiell offen für motivierte Einsteiger und nicht grundsätzlich festgelegt auf Schubladenabschlüsse", sagt Nicole von Stockert, Pressesprecherin des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). Auch wer keinen klassischen Studienabschluss im Tourismusmanagement oder keine Standardausbildung wie etwa den Kaufmann für Tourismus und Freizeit mitbringe, dem stünden die Türen offen. Stockert: "Nicht der exakte Abschluss oder Titel ist entscheidend, sondern das persönliche Engagement, die hohe Leistungsbereitschaft und die Offenheit der Absolventen."

Urlaubern als Reiseleiter die schönsten Sehenswürdigkeiten einer Stadt zeigen, eine von zahlreichen Berufsmöglichkeiten, die die Tourismusbranche bietet. (Foto: Hans Blossey/mauritius images)

Circa drei Millionen Menschen arbeiten nach Angaben des Deutschen Reiseverbands in Deutschland im Tourismus: zum Beispiel in Reisebüros, bei Veranstaltern, im Eventmanagement, in der Gastronomie, im Geschäftsreisebereich oder in Duty-free-Shops. Viele Wege führen in die Branche. Weiterbildungsanbieter wie das DSFT profitieren davon, Wissenslücken zu schließen. "Zu unserem einwöchigen Crashkurs in den Tourismus kommt zum Beispiel ein IT-Experte, der bei einem Reiseveranstalter den Online-Auftritt pflegt, aber noch kaum Verständnis hat, wie Tourismus funktioniert", sagt Christine Garbe, die am DSFT für die Seminarorganisation zuständig ist. Die Nachfrage nach dem Einsteigerkurs, den auch Krams besuchte, sei im Jahr 2018 so groß gewesen, dass er dieses Jahr drei- statt einmal angeboten wird.

Ein neuer Trend der Weiterbildung ist das Thema Digitalisierung. "Der mobile Buchungsvertrieb über Smartphones oder die Social-Media-Kommunikation sind neue Felder, in denen sich die klassisch ausgebildeten Touristiker nicht auskennen, weil das bislang nicht zur ihrer Berufsausbildung zählte", sagt Garbe. Fortbildungsbedarf gibt es aber auch deshalb, weil die Branche zunehmend von der rechtlichen Regulierung erfasst wird. So waren im vergangenen Jahr beim Deutschen Reiseverband (DRV) insbesondere Weiterbildungsseminare zum EU-Pauschalreiserecht und zur EU-Datenschutzgrundverordnung nachgefragt. Der Grund: Im Jahr 2018 trat nicht nur die Datenschutzgrundverordnung, sondern auch ein neues Reiserecht in Kraft, das in Deutschland die EU-Pauschalreiserichtlinie umsetzte. Das hatte Folgen. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Reisebüros und Reiseveranstaltern mussten sich mit den neuen gesetzlichen Regelungen vertraut machen", sagt DRV-Pressesprecherin Ellen Madeker. Der DRV bietet zudem Kurse etwa zu E-Commerce, Online-Marketing, Personalführung oder Steuerrecht für Touristiker an.

Auch die Betreuung von Kindern als Animateur bietet sich an. Für viele Jobs wird inzwischen ein Bachelorstudium verlangt. (Foto: Martin Moxter/mauritius images)

Auch beim Reiseunternehmen Tui spürt man neue Trends. "Wir haben zum Beispiel einen Bedarf an Mathematikern, die mit ihren analytischen Fähigkeiten aus riesigen Datenmengen Trends im Tourismus erkennen oder die den Verkauf von Plätzen in Flugzeugen oder die Preisgestaltung in Hotels tagesaktuell steuern können", sagt Sascha Kamp, Head of Leadership and People Development. Da die Karrierewege immer individueller würden, sei es entscheidend, was Bewerber wirklich wollen und worauf sie sich einlassen. "Auch deshalb ist Weiterbildung eines der Schlüsselthemen bei Tui", sagt Sascha Kamp. Nur ein Beispiel von mehreren, was das in der Praxis bedeutet: Voriges Jahr startete das Unternehmen ein internes Programm, das Mitarbeitern die finanzielle Förderung eines berufsbegleitenden Studiums an Fernhochschulen ermöglicht, so es denn zu den beruflichen Anforderungen des Unternehmens passt. Dieses Angebot, sagt die Leiterin für die Tui-Ausbildung, Bettina Gläser-Krahn, sei sehr gut nachgefragt worden. So hätten die Mitarbeiter Studiengänge etwa in der Betriebswirtschaftslehre, im IT-Bereich oder im Controlling ausgewählt.

Den generellen Trend zur Akademisierung bestätigt BTW-Sprecherin Stockert. "Gerade in größeren touristischen Unternehmen, etwa bei Reiseveranstaltern oder Luftverkehrsunternehmen, wird in einigen Bereichen zunehmend der Bachelor für Einstiegsjobs vorausgesetzt", sagt sie. Und spätestens der berufliche Aufstieg erfordere dort oft einen akademischen Titel. Für das wissenschaftliche Know-how sorgen Experten wie Burkhard von Freyberg, Professor an der Fakultät für Tourismus der Hochschule München. Die Hochschule bietet einen Bachelor in "Tourismus Management" sowie Masterstudiengänge in "Tourismus Management" und "Hospitality Management" an. Circa 4000 Bewerber für die bis zu 200 Plätze verzeichnet der Bachelor-Studiengang Touristikmanagement pro Semester. "Es braucht einen akademischen Hintergrund, um Herausforderungen unterschiedlichster Art im Tourismus strukturiert und reflektiert zu lösen", sagt Freyberg. Betriebs- und volkswirtschaftliche Kenntnisse seien beispielsweise notwendig, wenn man Lösungen für den umstrittenen Kreuzfahrttourismus, die Wettbewerbssituation zwischen Online-Reisebüros, Airbnb und Hotellerie oder das Problem des Overtourismus an Standorten wie Venedig entwickeln wolle.

Für Reiseleiter gibt es zahlreiche Fortbildungen, etwa zur interkulturellen Kompetenz

Weiterbildungseinrichtungen gibt es neben dem DSFT und dem DRV bundesweit noch zahlreiche: Fernstudiengänge bietet etwa die Fern-Akademie Touristik in Münster. So können sich dort Quereinsteiger zur Touristikfachkraft ausbilden lassen. Eher für berufserfahrene Beschäftigte der Reisebranche, die eine Führungsposition im Reiseverkehr, in der Hotellerie oder Touristik anpeilen und damit die Karrierechancen erhöhen wollen, ist dagegen der Geprüfte Tourismusfachwirt mit IHK-Prüfung geeignet. Auch die Schule für Tourismus Berlin und die Frankfurter Schule für Touristik bieten zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten an.

Welche Qualifikationen man mitbringen muss, wenn man als Reiseleiter arbeiten möchte, hängt vom jeweiligen Veranstalter ab. Wer sich beim Unternehmen Studiosus bewirbt, sollte in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen können. Für seine Reiseleiter veranstaltet das Unternehmen regelmäßig Fortbildungskurse, etwa zu den Themen interkulturelle Kompetenz, Naturkunde und moderne Medientechnik.

Seinen Einstieg in den Tourismus bereut Dirk Krams nicht - ganz im Gegenteil, es ist ihm, der selbst gern reist, ein persönliches Anliegen, gut empfangen und aufgenommen zu werden. "Gastfreundschaft ist ein hohes Gut, das wir in Deutschland noch stärker leben und entwickeln sollten", sagt er. Für ihn selbst habe sich ohnehin nicht so viel verändert im Vergleich zum früheren Job als Sozialarbeiter: "So viel anders ist die Branche nicht, ich habe ähnlich wie als Sozialarbeiter auch immer mit Menschen zu tun."

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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