Fortbildung:Von Ameisen lernen

Wie Insekten Managern den richtigen Weg weisen.

Laufen - Sie essen Regenwürmer und hangeln sich an Seilen über tiefe Schluchten. Sie schlagen sich nachts durch unbekannte Wälder und campieren in durchnässtem Ranger-Outfit unter Bäumen. Sie zahlen 1000 Euro und mehr für diese Kurse, weil sie die Grenzen ihres Egos ausloten wollen. Und im Idealfall kommen Manager mit neuen Führungsqualitäten aus solchen Trainingslagern an den Schreibtisch zurück. Der Markt mit Seminaren wie diesen boomt - und auch die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) steigt jetzt in das Geschäft ein. "Manager meets Nature" heißt der Kurs, den die ANL vom 14. bis 15. Juli in ihrem Bildungszentrum in Laufen an der Salzach anbietet. Für die Akademie ist es ein Pilot-Projekt, das es nach ihren Angaben in Deutschland so noch nicht gegeben hat. Ziel und Absicht des Kurses sind: Spitzenmanager großer Unternehmen sollen in den zwei Tagen von Ameisen und Bienen lernen, wie man große Betriebe effektiv organisiert und leitet. In Referaten und bei praktischen Übungen und Beobachtungen in der Natur geht es um Krisenmanagement und den Aufbau von Netzwerken, um Konfliktlösung und Marktbehauptung, um die Etablierung von Hierarchien und das Lenken von Mitarbeitern.

Jahrmillionen altes Wissen

Von den Insekten lernen, heißt für das Leben lernen - das ist der Grundgedanke des ANL-Kurses. Wie gehen Ameisen mit Blockaden um - wie ein Großunternehmen mit Versorgungsengpässen? Was machen Bienen bei Nahrungsmangel - was ein Unternehmen in Krisenzeiten? Was ist zu tun, damit alle an einem Strang ziehen? Das alles wissen Ameisen und Bienen schon seit 200 Millionen Jahren. Ihre Systeme funktionieren bis heute mit Erfolg. Warum also sollte der Mensch ihre Fähigkeiten und Erkenntnisse nicht auch für sich nutzen? Dieses Wissen von der Natur und dessen Umsetzung in moderne Wirtschafts- und Managementprozesse bezeichnet man als Wirtschaftsbionik. In Deutschland ist das noch ein weitgehend unbekanntes Feld. Britische Ameisenforscher hingegen bieten - vermutlich weil sie pragmatischer sind als ihre deutschen Kollegen - schon lange ihre Erkenntnisse in Managerkursen an. Mit den in Jahrmillionen entwickelten Kommunikations- und Überlebensstrategien seien soziale Insekten geradezu ideale Modellsysteme, sagt denn auch der Sprecher der Akademie, Peter Sturm, der sich nach eigenen Angaben "in der deutschen und internationalen Ameisenszene gut auskennt".

Schon seit Jahren hält der deutsche Ameisen-Experte Jürgen Heinze vom Lehrstuhl für Zoologie an der Universität Regensburg engen Kontakt zu seinen britischen Forscher-Kollegen. Jetzt will Heinze, zusammen mit der ANL, sein Ameisen-Wissen an deutsche Spitzenmanager aus Industrie, Banken und Versicherungen weitergeben. Bei dem ANL-Kurs mit von der Partie ist auch der Diplom-Biologe und Bienenforscher Michael Quest aus Münster. So ganz nebenbei will die Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege mit diesem Kurs den Managern auch ganz allgemein den Wert von Natur nahe bringen. In den nächsten Tagen will die Naturschutzakademie gezielt die Chefetagen einiger deutscher Konzerne anschreiben und auf den Ameisen-Kurs aufmerksam machen. Unterdessen liegen aus dem Nachbarland Österreich schon die ersten Anmeldungen vor - aus der Banken-Branche.

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