Flugbegleiter:Deutschland sucht die Super-Stewardess

Fürs Mobile Leben

Geschafft: Die erfolgreichen Casting- Kandidaten dürfen vor der New Yorker Skyline posieren.

(Foto: Steve Przybilla)

Beim Flugbegleiter-Casting treten Hunderte Kandidaten gegeneinander an. Das Teflon-Lächeln, an dem alles abperlt, zählt dabei mehr als Zeugnisse.

Von Steve Przybilla

Acht Uhr morgens, die perfekte Show beginnt. Die Lufthansa hat zum großen Casting geladen. Und gleich landen die künftigen Flugbegleiter in der ersten (Duft-)Wolke. Parfüm, Deodorant und Haarspray wabern durch den Raum. Eine Prise Rasierwasser ist auch dabei. Mehrere Hundert Bewerberinnen (und ein paar Bewerber) warten teilweise seit sechs Uhr früh vor dem Bamberger Kongress-Hotel. Quer durchs Treppenhaus zieht sich die Schlange der Herausgeputzten. Schon als Bewerber sehen sie wie Flugbegleiter aus. Weiße Bluse, schwarzer Blazer, dazu Rock oder Hose, ebenfalls in Schwarz. Ein Paar rote Sneakers blitzt aus der Masse hervor, ansonsten dominieren High Heels und Lackschuhe.

Was man nicht sieht: Tattoos oder Piercings. Dass diese nicht gewollt sind, stellt die Airline schon auf ihrer Homepage klar. Kira, 21, gehörte an diesem Märzmorgen zu den Ersten: "Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen", sagt die gelernte Industriekauffrau aus Nürnberg. Ihre Motivation? "Etwas Neues ausprobieren, unterwegs sein. Das fehlt mir im Büro."

Die Welt sehen, unterwegs sein, Abenteuer erleben: Fast alle Bewerber vereint der Drang, dem Schreibtisch zu entkommen. Die Fluggesellschaften wissen diese Wünsche zu nutzen. "Die Welt ist mein Büro" lautet der Name der Website, mit der die Lufthansa wirbt. Bejubelt wird in dem professionellen Hochglanzportal das Jetset-Leben zwischen New York, Rio und Tokio. Dass die Realität nicht ganz so glamourös aussieht, beweisen Flugbegleiter-Streiks, die auch bei deutschen Airlines regelmäßig vorkommen. Gewerkschafter beklagen seit Langem schlechte Arbeitsbedingungen und Personalmangel.

"Das veränderte Reiseverhalten erzeugt einen enormen Preisdruck", sagt Nicoley Baublies, Tarifvorstand bei der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO). "Heute erwartet jeder, für 50 Euro nach Mailand zu fliegen." Deshalb werde beim Personal gespart. "Viele Fluggesellschaften nehmen ihre Mitarbeiter in den Ländern unter Vertrag, in denen die Arbeitsschutzgesetze am schwächsten sind", sagt Baublies. "Ryanair bietet nicht einmal Lohnfortzahlung im Krankheitsfall."

Der Traum von Abenteuer und Reisen? "In der Realität sind wir als Flugbegleiter zu 80 Prozent auf kurzen Flügen unterwegs", sagt Baublies. "Da geht man abends ins Hotel und fliegt morgens gleich weiter." Während man bei Billigfliegern so gut wie keinen Einfluss auf die Flugpläne habe, könnten Flugbegleiter bei großen Airlines "zumindest teilweise" mitreden. Doch auch da dauere es lange, bis man einen der beliebten Langstreckenflüge zugewiesen bekomme. "Nach Martinique fliegt die Lufthansa zum Beispiel nur einmal pro Woche. Wer gerade im Job anfängt, muss sich da erst mal hinten anstellen."

Nun wird Englisch geredet

Etwa 1400 neue Flugbegleiter will die Lufthansa in diesem Jahr einstellen, und das möglichst unbürokratisch. Um schnell an qualifiziertes Personal zu kommen, hat sich die Lufthansa das Casting-Format überlegt. Wobei die Idee nicht wirklich neu ist: Konkurrenten buhlen mit ähnlichen Veranstaltungen schon länger um die Gunst potenzieller Arbeitskräfte. Bei Emirates zum Beispiel spricht man von "Cabin Crew Assessment Days"; bei Air Berlin vom "Cabin Crew Casting".

Zeugnisse sind beim Casting nicht erforderlich, auch keine Empfehlungsschreiben. "Der persönliche Eindruck ist viel wichtiger als irgendwelche Noten", sagt Casting-Leiter Klaus Jacobsen. "Wir suchen Bewerber, die unmittelbar mit uns in Kontakt treten und ihre Persönlichkeit demonstrieren." Genau darauf komme es über den Wolken an. Zumal man niemanden ungeprüft übernehme: Ob sich jemand eignet oder nicht, solle schließlich das Casting zeigen.

In der Hotelbar laufen derweil die ersten Auswahlgespräche. "Welcome", sagt eine Lufthansa-Mitarbeiterin, wodurch von vornherein klar ist, dass nun Englisch geredet wird. Bei der jungen Frau aus Bayern klappt das schon mal ganz gut. Mit leuchtenden Augen erzählt sie, dass sie schon als Kind Stewardess werden wollte. "Es macht mir Spaß, mit anderen Menschen zu arbeiten. Deshalb jobbe ich seit drei Jahren als Kellnerin." Und welchen Pflichten muss man als Flugbegleiterin nachgehen? "Service und Sicherheit", antwortet die Bewerberin - genau so, wie es die Karriereportale erläutern.

Wer in der Hotelbar überzeugt, kommt in die nächste Runde. "Recall" heißt das bei "Deutschland sucht den Superstar". In diesem Fall besteht der zweite Test aus einem psychologischen Gespräch und einem Rollenspiel. Dort werden die Bewerber mit Situationen konfrontiert, die sich später in 10 000 Meter Höhe ereignen könnten. Was durchgespielt wird, sollen Journalisten nicht verraten. Und dann - das Ergebnis! Nach und nach wedeln immer mehr Auserwählte mit ihrer "Bordkarte": Bei elf Flugbegleiter-Tagen hat die Lufthansa in den vergangenen Monaten mehr als 3000 Teilnehmer empfangen. Ein Drittel von ihnen hat einen Ausbildungsvertrag erhalten.

Auch in Bamberg überall lächelnde, erschöpfte Gesichter. Selbst die Parfüm-Wolke ist verflogen. Bevor die künftigen Flugbegleiter nach Hause dürfen, sollen sie vor einer Fotoleinwand posieren, auf der die New Yorker Brooklyn Bridge zu sehen ist. Die Casting-Champions werden augenblicklich auf der Karriereseite der Lufthansa geteilt. Kira aus Nürnberg ist unter den Siegern. "Das lag aber nicht an meinem frühen Erscheinen", grinst die 21-Jährige, die sich für den Fall einer Absage einen Plan B überlegt hatte. "Dann wäre ich nach Südamerika gegangen. Hauptsache reisen!"

Direkt in die Luft gehen die frisch rekrutierten Frauen und Männer aber nicht. Vorher müssen alle einen dreimonatigen Lehrgang in München oder Frankfurt absolvieren. Bezahlt wird dafür eine "Aufwandsentschädigung" von 380 Euro. Das spätere Gehalt liegt zwischen 1592 Euro und 2040 Euro brutto, je nachdem ob man eine 50-Prozent- oder eine 83-Prozent-Stelle annimmt (beide Varianten bietet die Lufthansa an). Bei all den Abenteuern, Reisen und kulturellen Erfahrungen, die der Arbeitgeber verspricht, steht eines also von Anfang an fest: Reich werden die Weltenbummler mit ihrem neuen Job nicht.

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