Flexible Arbeitszeiten in Unternehmen:Familienfreundlichkeit zahlt sich aus

Die Bedürfnisse von Vätern, Müttern und Kindern passen oft nicht zu den Arbeitsabläufen in den Unternehmen. Doch einiges ist in Bewegung auf dem Arbeitsmarkt - nicht zuletzt weil die Firmen festgestellt haben, dass sie von zufriedenen Eltern profitieren.

Christiane Bertelsmann

Ein Arbeitnehmertraum: Teilzeit, Vollzeit, Jobsharing - alles möglich. Wer will, arbeitet zu Hause. Die Sonne scheint, also setzt man sich zwei Stunden aufs Rad und kehrt mit frischen Ideen zurück ins Büro. Vertrauensarbeitszeit heißt das und wird bei der Bremer Werbeagentur Moskito schon seit Jahren praktiziert. "Wer sich Arbeitszeit und Arbeitsort frei einteilt, ist effizienter", sagt Agentur-Chefin Sabine Szabó. Sie will ihre Angestellten entlasten. Zum Beispiel so: Einmal in der Woche ist Bügeltag. Für acht Euro pro Stunde können die Mitarbeiter ihre Wäsche plätten lassen. Schon wieder Zeit gespart, für die Familie oder für den nächsten kreativen Einfall.

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Viele junge Familien wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(Foto: Getty Images)

Ist das Verhältnis von Job, Freizeit und Familie gut ausbalanciert, stimmt das nicht nur den Arbeitnehmer zufriedener, sondern steigert auch seine Leistung. Das hat das Bundesfamilienministerium erkannt und einen Unternehmenswettbewerb ausgelobt. "Erfolgsfaktor Familie" nennt der sich, 530 Firmen haben sich beworben, 42 gehörten zu den Finalisten, unter ihnen das Dax-notierte Traditionsunternehmen Henkel in Düsseldorf.

"Es war schon immer unser Anliegen, ein familienfreundliches Umfeld für die Mitarbeiter zu schaffen", sagt Regina Neumann-Busies, Managerin Social Services bei Henkel. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts gaben Werksschwestern den Mitarbeiterinnen und Ehefrauen der Angestellten Mütterkurse oder kümmerten sich um kinderreiche Familien. Heute will die Firma mit flexiblen Arbeitszeiten, Betriebskindergärten und Seminaren die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie erleichtern. "Für Frauen ist es inzwischen selbstverständlich, Beruf und Familie zu verbinden. Die Frage ist nicht mehr die nach dem Ob, sondern nach dem Wie", sagt Neumann-Busies.

Bei Henkel legt man den Fokus auf das Wohl der großen Firmen-Familie: Azubis können in Schuldenpräventions-Seminaren lernen, wie sie das erste Gehalt nicht gleich verballern. Schichtarbeiter dürfen alle drei Jahre mit ihrer Familie gratis eine Woche Urlaub am Meer oder in den Bergen machen - Gesundheitsprogramm inklusive. Wer Angehörige pflegt, kann in sogenannten Care-Support-Gruppen seine Sorgen loswerden und bekommt Pflege-Tipps. Und Henkel-Ehemalige organisieren sich im Pensionärsverein.

Solche Initiativen zahlen sich in barer Münze aus. "Seit wir die Kinderbetreuung verbessert haben, kommen die Mütter und Väter nach der Elternzeit wesentlich früher zurück", sagt Barbara David, Diversity-Managerin bei der Commerzbank. Während Mütter und Väter im Jahr 2004 im Schnitt noch 30 Monate zu Hause blieben, kehren sie inzwischen nach 20 Monaten zurück. Dadurch sinken die Fortbildungskosten.

Zu den Finalisten beim Wettbewerb des Ministeriums zählt das Bauunternehmen Krüger und Schramm im thüringischen Eichsfeld. Hier hat die Firmenleitung ein eigenes Motivationswerkzeug für ihr Personal ersonnen: das sogenannte Mitarbeiterbegeisterungsprogramm. Nach fünf Jahren im Betrieb bekommt jeder eine Urkunde und einen Scheck. Auch Gesundbleiben lohnt sich: Wer ein Jahr ohne Fehltage hingelegt hat, den lobt der Firmenchef persönlich auf der Weihnachtsfeier. Alle vier Wochen wird die Baustelle des Monats gekürt. Der Betrieb lädt zu Festen, veranstaltet Fußballturniere und macht es seinen 70 Mitarbeitern mit frischem Obst und kostenlosen Getränken so nett wie möglich. Betriebs-Sprecherin Verena Raacke: "Das ist unser Dank für die gute tägliche Arbeit."

Die Rechte einfordern

Keine Frage, motivierte Mitarbeiter bringen mehr Leistung. Das weiß auch Antje von Dewitz, Chefin des oberschwäbischen Outdoor-Ausstatters Vaude. Dewitz, selbst Mutter von vier Kindern, ist stolz darauf, dass 38 Prozent der Führungskräfte bei Vaude weiblich sind. Damit liegt sie deutlich über der von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für 2020 angestrebten Quote von 30 Prozent. "Das Thema Frauen und Karriere ist bei uns fest in der Firma verankert", sagt Vaude-Sprecherin Birgit Weber. "So ziemlich das Erste, was Antje von Dewitz durchgesetzt hat, ist der Bau eines Kinderhauses." Im ländlichen Tettnang war das eine kleine Revolution.

Eines der Erfolgsrezepte der Firma ist es, Verantwortung zu verteilen. "Die Führungskräfte übertragen Verantwortung auf ihre Mitarbeiter", sagt Weber. Außerdem passe man die Arbeitsbedingungen so gut wie möglich an die Bedürfnisse der Mitarbeiter an. So war es bei Vaude kein Problem, als ein Vater zwei Monate Auszeit beantragte, um mit seinen Söhnen einen Monat in Patagonien zu verbringen.

Bedingungen, die für Mitarbeiter im medizinischen Sektor eher utopisch sind. Obwohl der Frauenanteil im Arztberuf in den vergangenen 20 Jahren um 40 Prozent gestiegen ist, gibt es auf den oberen Sprossen der Karriereleiter kaum Frauen - gerade mal acht Prozent leitende Ärztinnen. Eine betriebseigene Kita oder die Option auf eine Teilzeitstelle nach der Elternzeit reichen eben nicht aus.

"Offiziell hat mein Arbeitgeber sogar ein Gütesiegel für Familienfreundlichkeit, weil wir eine Kita mit sehr kulanten Öffnungszeiten haben", sagt Katrin Lange (Name geändert), Assistenzärztin aus Berlin. Sie ist nach der Geburt ihres dritten Kindes wieder in Teilzeit zurückgekehrt. "Eigentlich passt das so gar nicht in die klinischen Abläufe", sagt Lange. "Wenn der Oberarzt auf Station um 15 Uhr die neuen Patienten besprechen will, kann der Dienst nicht um 13 Uhr enden." Und wenn sie Nachtdienst hat, sieht sie ihre Kinder mehr als 24 Stunden nicht.

Nur drei Kliniken sind unter die Finalisten des Wettbewerbs des Ministeriums gekommen, unter ihnen das Uni-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen. Mit einem umfangreichen Kinderbetreuungsprogramm und Teilzeitstellen konnten die Mediziner aus Südbaden punkten.

"Es ist eine Frage, wie selbstbewusst man seine Rechte einfordert", sagt Assistenzärztin Lange. Sie sieht bei den jüngeren Kollegen einen Wandel. "Inzwischen machen auch die Männer deutlich, dass sie mehr Freizeit und Familienzeit haben wollen", sagt sie. Bei den Vorgesetzten komme das nicht immer gut an. Doch es sei den Chefs bewusst, dass sie Rücksicht auf die familiären und privaten Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter nehmen müssen, um sie nicht zu verlieren - an eine familienfreundlichere Stelle, zum Beispiel in Schweden oder in der Schweiz.

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