Finanzvorstände:Berechnen und steuern

  • Die Bedeutung des Finanzchefs in Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht.
  • Früher ging es vor allem ums Controlling, mittlerweile wird der CFO bei jeder wichtigen Entscheidung herangezogen.

Von Martin Scheele

Aus einem Sanierungsfall einen Börsenstar zu machen - das klingt nach einer unmöglichen Mission. Ralf Dieter und Ralph Heuwing ist dies gelungen. Seit fast einem Jahrzehnt stehen der Vorstandschef und sein Finanzvorstand an der Spitze des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr - und haben gemeinsam Erfolgsgeschichte geschrieben.

Gewiss, der Vorstandsvorsitzende führt die Geschäfte, ist erster Ansprechpartner für Kunden und Geschäftspartner, zieht die Strippen. Im Fall des Mittelständlers Dürr aber zeigt sich, was für immer mehr Unternehmen gilt: Der Einfluss des Finanzvorstands auf den Erfolg - oder Misserfolg - des Unternehmens nimmt stetig zu.

Die Gründe für den Bedeutungssprung des CFO (Chief financial officer), wie der Zahlen-Chef im angloamerikanischem Raum und zunehmend auch hierzulande heißt, sind vielfältig: Das Geschäft wird immer komplexer, einzelne Entscheidungen können Unternehmen stärker herunterreißen als früher. Weil sein Job anspruchsvoller wird, braucht der Vorstandschef einen Sparringspartner auf Augenhöhe, eben den Finanzchef. Zusätzlich Druck kommt durch die Globalisierung, die Digitalisierung - und die Konkurrenz.

Früher schauten die CFOs vor allem in den Rückspiegel

Anruf bei Zacharias Sautner. Der Professor forscht an der Frankfurt School of Management zu dem Phänomen. Er weiß: "Die Finanzvorstände kommen historisch gesehen aus dem Rechnungswesen und dem Controlling. Sie haben damals gewissermaßen nur in den Rückspiegel geschaut." Heute würden die Finanzchefs üblicherweise bei jeder geschäftspolitischen Entscheidung des Vorstandschefs hinzugezogen - auch weil sie eine neutrale Instanz im Unternehmen seien.

Man in an office by night

CFOs sind keine einsamen Rechenkünstler mehr, sondern werden zunehmend bei jeder geschäftspolitischen Entscheidung des Vorstandschefs hinzugezogen.

(Foto: Getty)

Paradebeispiel ist Stefan Asenkerschbaumer, Finanzvorstand von Bosch. Er ist einer der mächtigsten CFOs in Deutschland. 374 000 Mitarbeiter hat der Konzern, 70 Milliarden Euro wurden 2015 erwirtschaftet. Als der heute 60-Jährige ins Berufsleben startete, war Deutschland noch zweigeteilt. Eine Grenze gab es auch in den Vorständen: Die Finanzchefs waren auf das Berichtswesen fokussiert, lieferten den eigentlichen Entscheidern die Zahlen, waren hausinterne Dienstleister.

Asenkerschbaumer pflegte damals diese Tradition. Er startete im Controlling, wiewohl seine Lehre als Industriekaufmann, das Studium der Wirtschaftspädagogik und die Promotion ihn nicht zwangsläufig für eine Karriere im Finanzwesen qualifizierte. "In meiner Ausbildung habe ich gelernt, Dinge auch nach dem direkten Augenschein zu beurteilen. Zahlen sagen nicht alles", sagt er heute.

Verantwortung en masse

Die Ausbildungsfülle spiegelt sich heute in der Machtfülle wider. Asenkerschbaumer ist zuständig für die Ressorts Finanzen und Bilanzen, Planung und Controlling, internes Rechnungswesen und Organisation. Außerdem verantwortet er die IT, Einkauf und Logistik sowie die interne Unternehmensberatung.

Auf den ersten Blick ist das Bild bei Dürr, ebenso wie der Bosch-Konzern in Stuttgart beheimatet, ähnlich. Finanzvorstand Heuwing hat Verantwortung en masse. Er führt neben den Finanzen das Risikomanagement, die Rechtsabteilung, die IT und den Einkauf - und zusätzlich noch zwei operative Einheiten. Und doch sind die Unterschiede zwischen dem Bosch-CFO und dem Dürr-CFO groß.

Ralph Heuwing, Finanzchef der Dürr AG

"Der CFO hat sich vom Navigator zum Copiloten des Unternehmens entwickelt."

Während Asenkerschbaumer die Karriereleiter bei Bosch stetig hochkletterte, ist Heuwing der klassische Seiteneinsteiger. Der Maschinenbauingenieur war vorher 17 Jahre lang Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Wer es dort bis zum Partner und Geschäftsführer schafft, muss etwas können. Und als Berater konnte der heute 50-Jährige in viele Firmen hineinschnuppern, lernte die dortigen Finanzchefs kennen - ein Sprungbrett. Heuwing sagt aus dieser Erfahrung: "Der CFO hat sich vom Navigator zum Copiloten des Unternehmens entwickelt."

"Rechnen ist Silber, Reden ist Gold"

Heuwing sagt das mit breiter Brust - angesichts seiner Erfolgsbilanz bei Dürr. Der Aktienkurs, damals bei zehn Euro, kletterte 2015 auf ein Allzeithoch von 109 Euro, heute steht der Kurs bei ungefähr 70 Euro. Den Umsatz peitschten sein CEO und er von 1,6 auf 2,4 Milliarden Euro hoch, den Gewinn von 56 auf 203 Millionen Euro.

Im Fall von Dürr kommt hinzu: Bei börsennotierten Unternehmen ist die Finanzmarktkommunikation, gemäß dem Motto "Rechnen ist Silber, Reden ist Gold", heute enorm wichtig. "Wenn Sie vor top ausgebildeten Analysten stehen und deren Fragen nicht beantworten können, haben Sie ein Problem", sagt Professor Zacharias. "Man muss sein Wissen immer wieder auffrischen, etwa wenn es um die Berechnung der Kapitalkosten geht." Zacharias kennt viele Unternehmen, die bei Investitionsentscheidungen in unterschiedlichen Bereichen immer die gleichen Kapitalkosten ansetzen - ein kapitaler Fehler.

Berichtspflicht, die Königsdisziplin

Seiteneinsteiger Heuwing wusste seit jeher um die Komplexität der Finanzmaterie. Viel Zeit verbrachte er deshalb mit den Wirtschaftsprüfern, ließ sich vom Leiter des Rechnungswesens fortbilden. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Dürr war einer der ersten Emittenten am Markt für Mittelstandsanleihen. Das Unternehmen wird auch regelmäßig für die Arbeit der Investor-Relations-Abteilung und seine Geschäftsberichte ausgezeichnet.

Die Berichtspflicht ist heute eine Königsdisziplin der Finanzchefs. Viele ächzen aber unter der Datenflut, die von immer strengeren Anforderungen staatlicher Stellen herrührt. Das zeigt eine neue Studie der Prüfungs- und Beratungsfirma Ernst & Young, der zufolge 71 Prozent der CFOs angeben, dass die Zahl der Berichte in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Das kann auch Johannes Huxol bestätigen. Er ist Finanzchef beim Leuchtenhersteller Trilux, einem Familienunternehmen aus Arnsberg im Sauerland. "Deutsche, europäische und internationale Vorschriften werden immer anspruchsvoller." Wer mit ihm spricht, merkt schnell: Das macht ihm wenig Spaß. Umso mehr Spaß macht es ihm, Wert zu schaffen. "Ich kümmere mich heute eher um Finanzierungsmodelle von maßgeschneiderter Beleuchtung im direkten Kontakt mit Kunden und Lieferanten." Das ist bei Dürr-Finanzvorstand Heuwing ähnlich. Der Unterschied: Heuwing steigt bei Dürr im nächsten Mai aus. Was er dann macht? Da versiegt die Kommunikation. Ein Finanzvorstand muss auch schweigen können. Nun gilt: Rechnen ist Silber, Schweigen ist Gold.

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