Finanzmarktregulierung:Wenn Geld im Feuer steht

Graffiti-Kunst an der EZB

Tötet Geld die Moral? Seit der Finanzkrise stehen Banken verstärkt im Fokus der Aufseher wie der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Praktiker aus Banken und Behörden lernen bei einem berufsbegleitenden Lehrgang der Universitäten Bern und Genf, wie die Finanzmärkte reguliert werden und welche Probleme es dabei noch gibt.

Von Katharina Wetzel

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einer Bank und entscheiden über die Vergabe von Krediten. Würden Sie einem Ihrer vermögendsten Klienten ein Darlehen in dreistelliger Millionenhöhe geben? Sämtliche andere Banken reißen sich um den Auftrag. Also, machen Sie das Geschäft mit dem Superreichen - oder schicken Sie ihn weg?

Mit solchen Fragen müssen sich Top-Bankerinnen wie Roselyne Renel beschäftigen. Renel, Keilabsätze, weißes Kleid, kurze Strickjacke, strahlendes Lächeln, ist für das unternehmensweite Risikomanagement bei der Bank Standard Chartered verantwortlich. Schon oft hat die resolute Managerin nach harten Verhandlungen Geld, das im Feuer stand, wieder eingetrieben. Das war alles andere als sicher, berichtet sie stolz. Dinge können schief gehen, Superreiche hoch verschuldet sein. Und dann wird es schwierig, das Geld der Bank wiederzubekommen.

"Kenne deinen Kunden", lautet Renels Lektion. 25 Kursteilnehmer lauschen gebannt, als Renel von ihren Erfahrungen mit der rauen Finanzwelt erzählt. Sie kommen selbst aus den verschiedensten Bereichen der Finanzbranche und sind die ersten, die an dem neuen berufsbegleitenden Lehrgang zur Finanzmarktregulierung der Universitäten Bern und Genf teilnehmen. An diesem Freitag-Samstag-Modul geht es um Wirtschaftskrisen in der Geschichte, um die jüngste Finanzkrise und um viele neue Regularien.

"Ihr müsst für Eure Überzeugungen aufstehen, und wenn Euch eine Transaktion nicht richtig erscheint, den Mund aufmachen." Roselyne Renel

Renel ist eine von fünf Top-Referenten. Sie ist überzeugt: "Man kann nicht alles regeln. Ihr müsst für eure Überzeugungen aufstehen, und wenn euch eine Transaktion nicht richtig erscheint, den Mund aufmachen und nicht einfach mit dem Strom schwimmen." Wie wahr. Verantwortungsbewusste Banker, die sich im Zweifel gegen ein Geschäft entscheiden, um allzu große Risiken zu vermeiden, bräuchte es. Doch wer sich dies im harten Geschäft der Top-Etagen traut, muss schon mutig sein.

Von April bis November gibt es acht solcher Module, an denen Professoren und Gastreferenten aus der Wirtschaft zu einem jeweils anderen Aspekt referieren, außerdem zwei Prüfungen. "Wir wollen einen Überblick über die großen aktuellen Themen der Finanzmarktregulierung geben und juristische und ökonomische Hintergründe aufzeigen", sagt Urs Zulauf, Studiendirektor des neuen Lehrgangs. Für Finanzinstitute ist die zunehmende Regulierung ein großer Aufwand. Bei Großbanken können die Kosten für die Umsetzung schnell zwei- oder dreistellige Millionenbeträge ausmachen. Der Bedarf an gut ausgebildetem Personal ist entsprechend groß. Zulauf hat dies bereits bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erkannt, für die er 30 Jahre lang tätig war, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied. Seit Februar 2014 ist er für die Kundensteuerpolitik der Credit Suisse in Zürich verantwortlich. Die Inhalte des Lehrgangs seien aber ohne Einfluss von Interessengruppen festgelegt worden, betont er.

Solche Weiterbildungsangebote für Berufstätige sind noch rar. "Es gibt in der Schweiz nur ein vergleichbares Angebot in Zürich. Das ist aber stärker juristisch ausgerichtet", sagt Zulauf. In Deutschland bieten etwa die Frankfurt School of Finance and Management, die Goethe-Universität Frankfurt, die Technische Universität München oder die WHU Otto Beisheim School of Management Kurse an.

"Zu allen möglichen Teilfragen gibt es Weiterbildungsangebote, aber kein Gesamtpaket wie dieses", sagt Michael Bommer, der als Rechtsanwalt beim Bundesverband Alternative Investments arbeitet. 10 800 Schweizer Franken müssen die Teilnehmer für den Lehrgang bezahlen, der mit einem Zertifikat abschließt. Die meisten sind wie Bommer Spezialisten und erhoffen sich ein besseres Verständnis bei ihrer täglichen Arbeit.

Für Sandra Schneider, Rechtsanwältin beim Eidgenössischen Finanzdepartement in Bern, ist die Finanzmarktregulierung ein Kernthema: "Wir erarbeiten die Gesetzes- und Verordnungsentwürfe für den Schweizer Finanzmarkt. Als Juristin habe ich hier die Möglichkeit, neben den rechtlichen auch die ökonomischen und historischen Aspekte kennenzulernen. Das ist das große Plus der Veranstaltung."

Jan Bumann, stellvertretender Direktor der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken, findet die Gastreferenten sehr beeindruckend. "Sie berichten sehr offen von ihrem Berufsalltag und haben die Finanzkrise teils hautnah miterlebt. Das ist ein Zugang, den man sonst nicht hat", sagt Melanie Bitterli, die bei der Credit Suisse als Expertin für regulatorische Themen arbeitet. Als sehr bereichernd empfindet sie auch die Gruppe, "mit der man aktuelle, regulatorische Herausforderungen diskutieren kann".

Laure Deppierraz, die als Anwältin bei der Banque Cantonale du Valais arbeitet, fand den Vortrag von Roselyne Renel sehr praxisnah. "Sie stellt viele Fragen, sodass man einfach mitdenken und mitarbeiten muss. Und ihr Unterrichtsstil ist unterhaltsam." Um alle Konzepte zu verstehen und tiefer in die Materie einzusteigen, sei die Zeit jedoch fast zu knapp, sagt sie.

Sind die Sicherheitspolster der Banken ausreichend? Bleibt bei der nächsten Krise der Steuerzahler verschont? Viele Fragen bleiben bei dem schnellen Ritt durch die Thematik offen. Gerne hätten manche Teilnehmer darüber mit den Referenten noch mehr diskutiert.

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