Süddeutsche Zeitung

Finanzierung von Privatschulen:Mehr Geld für die Elite

Privatschulen wollen mehr Geld vom Staat, um die Beiträge für die Eltern senken zu können. Ein Gutachten bezweifelt jedoch, dass das Bildungssystem dadurch gerechter wird. Nicht nur Geld entscheidet über die Wahl der Schule.

Tanjev Schultz

Der Boom von Privatschulen ist in Deutschland ungebrochen, ihre Finanzierung wird aber immer mehr zum Politikum. Vertreter von Privatschulen klagen über sinkende Finanzhilfen vom Staat und hohe Hürden für Schulgründer. In Bayern protestieren Waldorf- und Montessori-Pädagogen derzeit gegen Kürzungen. In Berlin hat die Volksinitiative "Schule in Freiheit" mehr als 24000 Unterschriften gesammelt. Damit erzwang sie eine Anhörung im Abgeordnetenhaus; Anfang März darf die Initiative dort ihre Ideen präsentieren. Ihr Ziel ist eine "gleichberechtigte Finanzierung" von Schulen in staatlicher und in freier Trägerschaft.

Derzeit kommt der Staat, je nach Bundesland und Schulart, lediglich für zwei Drittel oder drei Viertel der Gesamtkosten einer Privatschule auf. Die Eltern müssen deshalb Schulgeld zahlen. Privatschul-Verbände argumentieren, sie würden auf Elternbeiträge verzichten, wenn der Staat ihnen mehr Geld gäbe. Und dann könnten auch Kinder aus ärmeren Familien eine Privatschule besuchen.

Ein neues Gutachten des Frankfurter Bildungsökonomen Manfred Weiß sieht das skeptisch. Weniger das Einkommen, vielmehr der Bildungsstand der Eltern entscheide darüber, ob eine Familie zu einer Privatschule neige. Das dämpfe die Erwartung, durch eine Abschaffung des Schulgelds ließe sich die "Privatschulklientel" stark erweitern. Weiß hat seine Expertise, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung verfasst. Sie wird an diesem Mittwoch offiziell vorgestellt. Weiß beschäftigt sich seit langem kritisch mit Privatschulen.

Andere Bildungsforscher, etwa der Münchner Ökonom Ludger Wößmann, plädieren dafür, "freie" Schulen viel stärker zu fördern. Der Wettbewerb wirke sich positiv auf die Leistungen aus. Den Betrieb soll jedoch der Staat finanzieren, damit alle Familien auch tatsächlich frei wählen könnten. Den Trägern der Privaten wäre es am liebsten, wenn sie für jeden Schüler genauso viel Geld vom Staat bekämen wie die staatlichen Schulen. Dazu gibt es komplizierte und im Detail umstrittene Rechenmodelle, in die nicht nur die Gehälter für Lehrer, sondern auch Preise für Gebäude und Lehrmaterial einfließen.

Das Gutachten der Ebert-Stiftung wendet sich indes gegen eine pauschal gleichberechtigte Finanzierung. Staatliche Schulen hätten Mehrbelastungen, zum Beispiel durch Angebote in dünn besiedelten Regionen oder den Förderbedarf an sozialen Brennpunkten.

Studienautor Weiß verweist außerdem auf Erfahrungen in anderen Ländern, wonach mit zunehmendem Wettbewerb durch Privatschulen auch die Kosten je Schüler stiegen. Und statt mehr Gerechtigkeit könnte die Schülerschaft sozial und ethnisch weiter auseinanderdriften. Entsprechende Beobachtungen könne man in Schweden und den Niederlanden machen. In den Ergebnissen nationaler und internationaler Tests findet Weiß zudem keinen klaren Beleg dafür, dass Privatschulen Kinder und Jugendliche zu besseren Leistungen führen.

Allerdings beurteilen Privatschüler das Schulklima oft positiver als Schüler an staatlichen Einrichtungen. Und in Umfragen zieht fast jeder dritte Deutsche ein privates Angebot den staatlichen Schulen vor. Etwa zwei Drittel der Privatschüler besuchen kirchliche Schulen. Insgesamt liegt der Anteil von Privatschülern bundesweit bei fast acht Prozent, Anfang der neunziger Jahre waren es weniger als fünf Prozent. Die Nachfrage wächst aber noch rascher als das Angebot. "Der eigentliche Boom findet auf den Wartelisten statt", heißt es beim Verband deutscher Privatschulen.

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SZ vom 09.02.2011/holz
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